Ein Ehrenamt bei SprInt – für mehr Bildungschancen in Berlin-Wedding

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Wir sind dankbar und ehrlich gesagt auch ein bisschen stolz: Seit einiger Zeit engagieren sich immer mehr Ehrenamtler bei SprInt. Für uns ist das nicht nur der Beleg dafür, dass unser Projekt eine gute Sache ist, sondern bedeutet dies auch eine wichtige Entlastung unseres Betriebs, schließlich kommt mittlerweile eine immer größer werdende Zahl an Schülern zu uns. Ohne unsere Ehrenamtler wäre dieser Andrang kaum zu bewältigen. Höchste Zeit, sie im Folgenden einmal vorzustellen! Doch alles der Reihe nach: Woher kommt denn eigentlich dieser hohe Bedarf an Nachhilfe im Wedding?

Bildungschancen in der Hauptstadt

Die letzten anderthalb Jahre waren keine guten für unsere Kids aus dem Kiez, schließlich hat die Pandemie die ohnehin tiefen Bildungsgräben im Wedding noch einmal vertieft: Homeschooling ist ganz schön unpraktisch, wenn man zuhause über kein eigenes Zimmer zum Lernen verfügt, man keinen Laptop hat – vielleicht nicht einmal eine Emailadresse – und die Eltern auch nicht um Hilfe bei den Hausaufgaben bitten kann. Dementsprechend hoch ist derzeit der Bedarf bei uns, sei es vor Ort im Medienhof-Wedding oder zuhause bei den Schülern selbst, denn es gibt einiges nachzuholen: „Das ist besonders für Familien mit Migrationshintergrund von existentieller Bedeutung“ erzählt SprInt-Leiter Herbert: „Teilweise haben wir hier Kinder, die erst kurz vor der Pandemie nach Deutschland geflüchtet sind, dementsprechend noch gar kein Deutsch sprechen und deshalb seit anderthalb Jahren nicht richtig beschult werden können. Ihr Rückstand ist gewaltig.“ Wir von SprInt hoffen also nicht nur einen Beitrag zu mehr Bildungschancen, Integration und sozialer Gerechtigkeit zu leisten, sondern auch jene Lücke zu schließen, die die Berliner Bildungspolitik in den letzten Jahren offengelassen hat, Stichwort Brennpunktschulen. Dabei ist insbesondere der Zusatzaufwand des Heimunterrichts in erster Linie aber überhaupt erst dank einer großzügigen Spende möglich.

Lehrermangel

Allerdings herrscht derzeit auch bei uns eine gewisse Lücke, die wir an dieser Stelle nicht verschweigen möchten. Denn immer weniger Studenten bewerben sich im Moment bei uns auf einen Job als Nachhilfelehrer; für die immer größer werdende Menge an Schülern haben wir also immer weniger Lehrer. Warum eigentlich? „In Berlin gibt es seit einigen Jahren einen Lehrermangel. Derzeit fehlen der Stadt mehrere Hundert Lehrkräfte. Deshalb locken viele Schulen und Bildungseinrichtungen den wenigen Nachwuchs mit hohen Löhnen, die wir ihnen hier im Medienhof-Wedding leider nicht zahlen können. Ab und zu erreicht uns zwar die ein oder andere Spende, die wir für mehr Bildungschancen hier im Kiez einsetzen können, aber den gewaltigen Bedarf können wir auch so kaum decken“ führt Herbert aus (wer für bessere Bildungschancen in Berlin spenden möchte, der besucht unsere Seite auf Betterplace😉).

Ehrenamt bei SprInt in Berlin

Doch zum Glück gibt’s Damian, Hadrien, Heinrich, Henrieke, Petra und Teresa, die sich alle ehrenamtlich bei uns engagieren und damit für SprInt in die Bresche springen. Sie helfen den Kids aus dem Kiez; lernen Deutsch, Mathe oder Englisch mit ihnen, bereiten sie auf Prüfungen vor oder formulieren Bewerbungsanschreiben.

Unsere Ehrenamtler im Bereich Bildung

Damian kennt ihr ja schon – der ehemalige Unternehmensberater absolviert derzeit ein Praktikum bei uns, nachdem er sich beruflich neu orientiert. Er packt kräftig mit an: „Vor kurzem hat er sogar beim Auswechseln der Schlösser geholfen“ erzählt Herbert und lacht. Die anderen sind erst seit kürzerem mit von der Partie. Eine ähnliche bunte Truppe wie unsere Schülerschaft: Hadrien ist Office Manager bei TOTAL, Heinrich Elektrotechnik-Ingenieur, Henrieke Datenanalystin bei Delivery Hero, Petra Historikerin und Teresa Sonderschullehrerin. Ehrenamt und Beruf gleichzeitig? Klingt anstrengend. „Dank flexibler Arbeitszeiten und Unterstützung meines Arbeitgebers kann ich Termine und Abgaben so koordinieren, dass ich einmal wöchentlich bei SprInt dabei sein kann. Beruf und Ehrenamt lassen sich also gut miteinander vereinbaren“ erzählt Henrieke. Teresa hingegen hat seit kurzem einen Tag in der Woche frei und hat deshalb Kapazitäten sich zu engagieren. Heinrich ist in Altersteilzeit. Trotzdem – so ein Ehrenamt kann Kräfte zehren. Warum sich also eine vermeintliche zusätzliche Last auf die Schultern packen?

Warum ein Ehrenamt ausüben?

„Ich selbst bin auf eine Hauptschule gegangen, aber mein damaliger Fußballtrainer meinte zu mir, ich solle doch versuchen mein Abitur zu machen. Er hat mir dann geholfen, aufs Gymnasium zu wechseln und mir jene Unterstützung gegeben, die mir meine Eltern nicht haben geben können, weil sie selbst eben aus eher einfachen Verhältnissen stammten“ erzählt Heinrich im Gespräch, wie die meisten unserer Schüler ist er selbst ein Bildungsaufsteiger. „Ohne diesen Impuls von außen wäre mein Leben gänzlich anders verlaufen, ich wäre wahrscheinlich nie an die Universität gegangen und hätte studiert, sondern wäre im Emsland geblieben und hätte irgendetwas gearbeitet. Und diese Hilfe, die ich damals bekommen habe, die würde ich jetzt gerne eben anderen geben.“ Etwas zurückgeben – nicht nur für Heinrich die Hauptmotivation für sein Ehrenamt im Herzen von Berlin. Auch Teresa erzählt: „Meine Eltern und meine Familie haben sich immer ehrenamtlich engagiert, deshalb ist das für mich erstmal nichts Besonderes. Außerdem ist mir in letzter Zeit immer mehr bewusst geworden, wie gut ich es habe: ich hatte einen guten Start in mein Leben und bin gut versorgt. Ich kann ohne Probleme etwas abgeben, denn andere haben es schwerer als ich.“

Über den Tellerrand blicken

Dass das Leben aber nicht nur aus Geben besteht, sondern auch ein Nehmen ist, gilt auch für ein Ehrenamt bei SprInt: „Mir geht’s gut, aber es gibt viele, denen geht’s nicht so gut, deshalb hatte ich bereits länger mit dem Gedanken gespielt ein Ehrenamt auszuüben. Nicht nur um anderen zu helfen, sondern auch um einfach mal aus meiner ‚Kultur-Blase‘ herauszutreten, in der ich mich aus beruflichen Gründen befinde“ erzählt zum Beispiel Historikerin Petra: „Ich arbeite in einem Museum, das ist zwar sehr schön, aber auch ein sehr privilegierter, abgeschotteter Bereich, den ich gerne mal verlassen wollte. Mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten macht mir Spaß, außerdem verschafft die Arbeit mir auch eine gewisse Befriedigung, weil sie etwas sehr Unmittelbares hat: Man merkt, dass man etwas tut, was sofort hilft.“ Eine Einschätzung, die Henrieke teilt: „Ich arbeite für ein internationales Unternehmen, in dem man sich vielleicht auch ein bisschen in einer Parallelwelt bewegt. Mit einem Ehrenamt wollte ich gerne netzwerken, die Stadt besser kennenlernen und neue Eindrücke sammeln.“ Klingt plausibel. Aber wie sind sie denn, die neuen Eindrücke?

Motivierte Schüler

Zwiespältig. Aber zunächst freut uns natürlich, dass alle unsere Ehrenamtler von der Motivation unserer Schüler begeistert sind: „Nach einem langen Schultag noch freiwillig zur Nachhilfe zu gehen und Hausaufgaben bis abends machen – das ist schon großartig“ erzählt Teresa, „von so einem großen Engagement war ich ehrlich gesagt sehr überrascht. Das hätte ich damals nicht gemacht, als ich selbst noch Schülerin war.“ Petra stimmt ihr zu: „Man sammelt bei SprInt wirklich positive Erfahrungen. Manche Kinder sind gefühlt jeden Tag da und opfern ihren Nachmittag für ihre Hausaufgaben, das finde ich sehr beeindruckend.“

Wenig Bildungschancen im Wedding

Aber wo Licht ist, fällt auch Schatten – denn Petra erzählt auch, dass sich viele Schüler schwer tun mit ihren Aufgaben, Texte nicht verstehen und generell Grundlagen fehlen: „Bei vielen hapert es an den Sprachkenntnissen“ – das erschwere später die gesellschaftliche Teilhabe der Kinder und Jugendlichen aus dem Wedding konstatiert sie. Stattdessen lägen trotz der geographischen Nähe zwischen dem gutbürgerlichen Pankow und dem Wedding Welten: „Man läuft nur unter der S-Bahn-Brücke durch und schon ist man im Wedding in einem völlig anderen Bezirk. Das merke ich durch SprInt jetzt umso mehr.“ Auch Heinrich berichtet neben seinen positiven Eindrücken auch von den Schwierigkeiten, die viele unserer Schüler mit dem Schulstoff haben: „Vielen fehlt es an elementaren Grundlagen, so sehr, dass man gar nicht weiß, wo man anfangen soll. Also muss man erst einmal kleine Schritte gehen, dafür reicht dann aber leider manchmal die Zeit nicht, denn so schnell lassen sich solch tiefe Defizite überhaupt gar nicht aufarbeiten.“

Es gibt noch viel zu tun

Trotzdem haben unsere Ehrenamtler das Gefühl bei SprInt an der richtigen Stelle zu sein und mit ihrem Ehrenamt etwas zu bewirken: sie helfen den Schülern dabei ihre Noten signifikant zu verbessern, ihren Abschluss zu schaffen und später einen Beruf zu erlernen (manche werden sogar Ingenieur). Die Schüler hinterlassen uns dementsprechend auch ihr Feedback. Doch nicht nur unsere Schüler sind froh über unsere Ehrenamtler, sondern auch wir von SprInt sind ihnen sehr dankbar. Man bedenke den eingangs erwähnten Lehrermangel und die schlechte Bildungssituation hier im Wedding. Als kleines Dankeschön haben Herbert, Carsten, Bright und Felix sie übrigens vor kurzem in unserer kleinen Bildungsstätte bekocht. „Auf diesem Wege konnten wir uns alle kennenlernen und auch mal etwas privater miteinander reden. Wobei wir natürlich auch viel über die schlechten Bildungschancen hier in Berlin gesprochen haben. Es gibt eben noch einiges zu tun“ führt Carsten aus. Trotzdem war das Abendessen ein voller Erfolg und hat gewissermaßen die Adventszeit eingeläutet: „Wir möchten uns zumindest ein kleines bisschen bei unseren ehrenamtlichen Helfern revanchieren“ sagt Herbert, „auch wenn wir wissen, dass das eigentlich kaum möglich ist.“

Damit wir auch in Zukunft den Schülern helfen können, benötigen wir Ihre Spende. Bitte unterstützen Sie uns unter: https://www.betterplace.org/de/projects/5160-bildungsforderung-sprint-eine-bessere-zukunft-fur-kinder-durch-bildung

Der Artikel stammt von Matthias Stoecker, Blogredakteur SprInt.

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