Politikerabend bei SprInt

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Letzte Woche veranstaltete SprInt eine Diskussion zum Thema „Bildungsgerechtigkeit im Wedding“. Ein Thema, das uns von jeher am Herzen liegt. Außerdem steht die Berlin-Wahl vor der Tür (12. Februar, laut aktuellen Umfragen liegt die CDU vorne). Darüber hinaus haben Fragen zur Integration und Zuwanderung vor dem Hintergrund der Silvesterkrawalle ein neues Gewicht bekommen. Wir von SprInt möchten unseren Teil zu einer verbesserten Bildungssituation im Kiez beitragen und betrachten unsere Sprach- und Bildungsförderung hierfür als wichtigen Baustein. SprInt ist aber noch viel mehr als eine Bildungseinrichtung — wir begreifen uns als Ort der Begegnung, an dem Menschen verschiedener Herkunft miteinander in Kontakt treten. Deshalb luden wir zur Diskussion ein.

Bessere Bildungschancen im Wedding?

Zu Gast waren Melis Yeter von der SPD, Tuba Bozkurt von den Grünen, Stefan Böhme von der Linkspartei und Cem Erkisi von der CDU. Die Moderation übernahmen SprInt-Leiter Herbert und Schüler-helfen-Schüler-Leiter Elyesa. In ihrem Vorwort betonten beide den offenen Charakter der Diskussion, die nach einem Eingangsstatement zur Bildungspolitik im Austausch mit dem Publikum stattfinden sollte. Dieses war übrigens ziemlich bunt gemischt: Ein paar unserer Studenten und Förderlehrer waren vor Ort, aber auch Schüler aus unserem Projekt, Nachbarn, Sozialarbeiter und sogar ein Soziologe. Ziemlich prall gefüllte Zuschauerränge also — wir mussten sogar ein paar extra Stühle besorgen.

Bildungspolitische Pläne vor der Berlin-Wahl

Den Auftakt machte der selbst erklärte Außenseiter in der Runde — der Erzieher und CDU-Politiker Erkisi, der die Pläne der Union darlegte, ein verpflichtendes Kita-Jahr einzuführen, außerdem Vorschulklassen, um das sprachliche Fundament der Kinder für den späteren Schulbesuch zu legen. Auch regte er eine zusätzliche Unterstützung der Lehrkräfte durch Erzieher an. Ihm folgte Tuba Bozkurt von den Grünen, Mitglied des Berliner Landesparlamentes. Ihr zentrales Anliegen war eine unabhängige Antidiskriminierungsbeschwerdestelle, die nicht mehr an die Verwaltung angedockt ist. Sie kritisierte, dass zu viele Migranten in Berlin stigmatisiert und diskriminiert würden und machte hierfür die Hauptursache für ein schulisches Scheitern aus: „Immer noch werden Mädchen gezwungen ihr Kopftuch auszuziehen oder am Schwimmunterricht teilzunehmen. Das darf nicht sein“, sagte sie. Melis Yeter von der SPD machte sich für ein umlagefinanziertes Ausbildungssystem als Alternative zu einem Studium stark. Die gebürtige Weddingerin und gelernte Bürokauffrau plädierte hierfür, auch jenen Menschen eine Perspektive zu ermöglichen, die in der Schule gescheitert sind. Alle jungen Menschen bräuchten eine garantierte Jobperspektive, für die die Betriebe in einen Pool zahlen sollten. Stefan Böhme von der Linken meinte; im Wedding gäbe es immer noch viel Armut und Missstände, trotz einer zunehmenden Gentrifizierung. Nach den Eingangsstatements begann die offene Diskussion und das Publikum schaltete sich ein.

Einigkeit zwischen SPD und Grünen

Bei vielen Themen herrschte eine relative Einigkeit zwischen SPD und Grünen, und auch Erkisi von der CDU lobte einige Male die Bildungspolitik der Sozialdemokraten. Er warf dabei aber auch die Frage auf, warum diese trotz aller Bemühungen keine Früchte trage, immerhin sei die Quote von Schulabbrechern im Wedding extrem hoch, die Integration vielerorts fehlgeschlagen. An dieser Stelle wurde die Diskussion in der Tat etwas hitzig, nachdem er die Verantwortung hierfür auch in den Familien selbst suchte, nicht bloß in der Berliner Bildungspolitik. Bozkurt hingegen widersprach heftig und betrachtete eine Stigmatisierung migrantischer Schüler und Rassismus durch die deutsche Mehrheitsgesellschaft als Ursache für mangelnde Bildungserfolge im Kiez; so solle man den Wedding zum Beispiel nicht als einen Brennpunkt schlecht machen, dies sei nicht hilfreich und diskriminiere die Bewohner*innen. Doch auch das Publikum brachte sich rege in die Diskussion ein. Alikan fragte beispielsweise, warum die technische Ausstattung der Schulen so schlecht sei, vom technischen Verständnis der Lehrer ganz zu schweigen. Eine Erzieherin aus der Nachbarschaft des Medienhof-Wedding erzählte von den Verhältnissen in ihrer Kita, in der sie seit 1999 arbeitet: „Früher hatten von zehn Kindern vielleicht zwei bis drei sprachliche Defizite, heute sind es eher sieben bis acht Kinder, die Probleme haben. Sie können teilweise nicht einmal mehr ihre Muttersprache korrekt sprechen, und wir haben zu wenig Personal, um diesen Mangel zu beheben. Das ist für uns als Erzieher sehr frustrierend, zumal wir die Kinder mit einem schlechten Gefühl in die Schule entlassen. Die wenigsten von ihnen sind schon bereit für den Schulbesuch.“

Optimismus und ein leckeres Buffet

Trotz dieser durchaus besorgniserregenden Lage im Kiez, versuchte SprInt-Leiter Herbert in seinem Schlusswort noch ein wenig Optimismus zu verbreiten und erinnerte an die Qualitäten unserer Kinder und Jugendlichen, die mit viel Talent gesegnet seien; außerdem an den Zusammenhalt der Berliner Bildungslandschaft, die einiges unternehme, um Fortschritte zu machen. Einen Wunsch für die Schule der Zukunft äußerte er ebenfalls: „Viele unserer Schüler haben kein Hobby — ein paar der Jungs gehen vielleicht in den Fussballverein, aber das war‘s. Ich würde mir wünschen, dass irgendwann einmal Schule nicht mehr nur noch aus Lehrblätter-Pauken besteht, sondern sich zu einem Ort der Entfaltung entwickelt, an dem man in der Holzwerkstatt arbeiten kann, Theater spielt, paddelt oder Bogenschießen geht. Dann geht man auch gerne in die Schule!“

Danach war das Buffet eröffnet, halal und lecker von Refueat! Nach so einer intensiven und kräftezehrenden Diskussion genau das Richtige, auch wenn beim Essen naturgemäß weiter diskutiert und debattiert wurde. Wir von SprInt waren in jedem Falle sehr zufrieden mit dem Politikerabend und hoffen, dass der ein oder andere vielleicht einen inspirierenden Gedanken mit nach Hause genommen hat (und hoffentlich einen gut gefüllten Bauch).

Damit wir auch in Zukunft den Schülern helfen können, benötigen wir Ihre Spende. Bitte unterstützen Sie uns unter: https://www.betterplace.org/de/projects/5160-bildungsforderung-sprint-eine-bessere-zukunft-fur-kinder-durch-bildung

Der Artikel stammt von Matthias Stoecker, Blogredakteur SprInt.

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