Theresas Bildungsmarathon

alt-text

Theresa ist glücklich. Sie bekam gerade ihre Mathematikklausur zurück und hat 14 Punkte erreicht. Seit einigen Monaten kommt die Achtzehnjährige immer mit vielen Taschen bepackt zu SprInt in den Medienhof-Wedding. Sie ist keine typische Besucherin mit migrantischem Hintergrund von einer Weddinger Schule, sondern eine „Biodeutsche“ vom privaten und ziemlich elitären Canisius-Kolleg. Da fühlt sie sich manchmal allerdings etwas deplatziert. Denn Theresa ist alles andere als ein behütetes Kind reicher Eltern, wie viele andere dort.

Die vielen Taschen trägt sie bei sich, weil sie zwischen dem Haus ihrer Eltern, einer WG und ihren Freunden pendelt und ihre Utensilien für den jeweils nächsten Tag benötigt. Theresa muss einmal in der Woche in der WG für sechs bis neun Mitbewohner einkaufen und kochen. „Es stresst manchmal, besonders in der Klausurenphase; aber ich mag es, mit den richtigen Personen zu kochen. Meistens mache ich Pfannkuchen. Das geht ganz leicht. Oder Nudeln.“ Sie musste durch den Auszug bei den Eltern schnell selbstständig werden. Früher kochte ihre Mutter jeden Tag und Theresa kam nicht auf die Idee, besonders viel zu helfen. Jetzt sieht sie, dass frisch gewaschene Wäsche keine Selbstverständlichkeit ist und sie ist viel dankbarer geworden, wenn ihr selbst mal etwas in der WG gekocht wird.

Der Auszug aus der familiären Wohnung hatte mehrere Gründe. Mit 16 Jahren kam Theresa  in eine Klinik, weil ihr Herz gefährlich langsam schlug und sie massives Untergewicht hatte. Sie war damals Marathonläuferin und hatte exzessiv Sport getrieben, weil das für sie eine Bewältigungsstrategie war, mit (negativen) Gefühlen umzugehen. Als sie aus der Klinik kam, wollte sie einen kompletten Neuanfang machen und zog daher aus. Demzufolge wurde sie selbstbestimmter und mittlerweile geht es ihr richtig gut.

Schwierigkeiten auf dem Weg

„Meine Eltern sind das absolute Gegenteil von mir, ich bin sehr in Armut aufgewachsen.“ Theresa schildert, dass ihre beiden Elternteile Hartz-IV- Empfänger sind und sie oft Probleme hatten, über den Monat zu kommen. So hat sich bei ihr das Bild im Kopf festgesetzt, ihre Eltern hätten nicht so viel in die Schule investiert und daher käme ihre missliche Lage. Deshalb hatte sie oft Existenzängste: Wäre sie nicht gut in der Schule, könnte sie auf der Straße landen. Ihre Kindheit war nach eigener Aussage echt gut, aber der einzige Weg aus der Unterschicht heraus war für sie Bildung und deshalb machte sie sich totalen Druck. Lange konnte sie keine Freunde zu sich einladen, weil die Scham über die Armut zu groß war. Diese Scham war ein ganz starkes Gefühl, doch heute weiß sie, dass sie nichts für die Armut ihrer Familie konnte. „Durch sehr viel Selbstreflektion habe ich es umgedreht und trage die Armut nun eher als Trophäe: Trotz aller Schwierigkeiten bin ich so wie ich bin.“ Sie wünscht sich für sich später eine eigene Familie und will dieser dann die Armut ersparen.

SprInt — eine neue Erfahrung

„Früher habe ich mich in ein Zimmer eingesperrt und übermäßig gelernt und jetzt lerne ich im Medienhof-Wedding mit Hilfe.“ Theresa schätzt die Unterstützung, die sie durch SprInt erfährt. „Ich habe das Gefühl, ich bin nicht allein, auch nicht alleine mit dem Stress.“ Sie findet, dass die Lehrerinnen und Lehrer bei SprInt eher Tutoren sind. In der Schule hat sie diese Unterstützung nicht. Die Angst vor Fehlern ist dort zu groß. „In der Schule sind Fehler immer eher ein Defizit und es wird alles bewertet, benotet und beurteilt“, sagt sie. Um die gute Note in der Mathematikklausur zu bekommen, hatte sie sehr viel Arbeit in die Vorbereitung gesteckt. Es war ihr ʺProjekt“ in den letzten Wochen und mit dem Ergebnis hat sich die Mühe gelohnt.

Ihre Liebe zum Theater und Pläne für die Zukunft

Theresa glaubt, dass das Theater ihre neue Sucht nach der Sportsucht ist. Sie beschreibt ihre Kindheit und Jugend als Zeit mit vielen Gefühlen, die sich zwischen großem Hass und Liebe bewegten. Den Sport suchte sie sich als Bewältigungsstrategie, um ihre Emotionen sozusagen herauszulaufen. „Im Theater ist es aber so, dass die Gefühle, die ich im Alltag habe, wertvoll sind, weil sie für das Dramatische verwendet und irgendwie kontrolliert werden können.“

Das Theater ist für sie ergreifend und befreiend und sozusagen, ganz nach Aristoteles, eine seelische Reinigung ihrer Gefühle. Sie machte einen Theaterkurs in der Schule und wollte bei der Jugendgruppe des Deutschen Theaters dabei sein. Zurzeit schaut sie sich aber lieber Stücke an. Da sie eine Ermäßigung durch den Berlin Pass bekommt, geht sie meistens mit ihrem Vater. Wichtig in Theresas Leben sind weiterhin der Sport, die Mathematik, das Tanzen und die Natur, in der sie gerne mit Freundinnen und Freunden wandert. Außerdem ist sie oft kreativ und schreibt kleinere Gedichte. Zu ihren Zukunftswünschen hat sie auch klare Vorstellungen. „Ich habe mir überlegt, dass das Lehrerdasein sehr attraktiv ist. Manchmal habe ich das Gefühl, ich muss dieser Welt etwas zurückgeben“, führt sie aus. Sie möchte Theaterpädagogik studieren und vielleicht noch mit einem anderen Fach wie Mathematik oder Griechisch ihre Faszination für die Inhalte an Kinder weitergeben.

Wegen ihrer Reife und ihrer Selbstreflexion meint man immer, eine Erwachsene vor sich zu haben. Gerade weil sie nicht so viel Bildung in ihrem Elternhaus mitbekommen hat, ist sie sehr wissbegierig. Da sie sehr von SprInt profitiert und die Art des Lehrens ihr gefällt hat sie sich entschlossen ein Schulpraktikum im Medienhof-Wedding zu machen. Darauf freut sich das gesamte Teamvon SprInt, weil das Arbeiten mit Theresa, die trotz aller Härten immer viel lacht, glücklich macht.

Damit wir auch in Zukunft den Schülern helfen können, benötigen wir Ihre Spende. Bitte unterstützen Sie uns unter: https://www.betterplace.org/de/projects/5160-bildungsforderung-sprint-eine-bessere-zukunft-fur-kinder-durch-bildung

Der Artikel stammt von Carsten Haupt, Mathelehrer bei SprInt.

Schreibe einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Pflichtfelder sind mit * markiert.

Beitragskommentare