Wir stellen unsere Tochter vor

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Seit 2016 hat SprInt eine Tochter namens „Schüler helfen Schülern im Wedding“ – kurz ShS. Ihr Vater ist Ali Gashi (25), Weddinger Junge, der vor einigen Jahren selbst noch regelmäßig bei SprInt im Medienhof-Wedding zu Besuch war, um Nachhilfe zu bekommen. Glücklicherweise ist er uns aber auch noch nach dem Abitur verbunden geblieben und hat während des Studiums gemerkt, dass er selbst mitanpacken will: „Früher habt ihr mir geholfen, jetzt will ich anderen helfen“ sagt er und entschied sich, das damals erste Tochterprojekt von SprInt auf den Weg zu bringen, getreu dem Motto: „Von der Straße für die Straße.“

Das Konzept ist schnell erklärt: Schüler geben anderen, zumeist etwas jüngeren, Schülern Nachhilfe. ShS findet bei uns freitags statt, von 15 bis 18 Uhr. Wer dann die Räumlichkeiten betritt, erlebt eine kleine Überraschung, nicht nur, weil Lehrer und Schüler deutlich jünger sind als sonst, sondern auch wegen der Atmosphäre konzentrierter Betriebsamkeit – der Umgang ist freundschaftlich und locker, aber trotzdem von gegenseitigem Respekt geprägt. „Die Aufgaben, die unsere Nachhilfekinder gerade bearbeiten, musste ich selbst vor kurzem lösen“ sagt, Alikan (22), früher Nachhilfeschüler bei SprInt, heute Nachhilfelehrer bei ShS: „ich weiß noch, wie es sich anfühlt, wenn man sich nicht traut den Lehrer um Erklärung zu fragen oder man einfach etwas nicht kapiert.“

„Genau da wollte ich ansetzen“ erklärt Ali, der sich neben dem Studium der Ingenieurswissenschaften beginnt für Pädagogik zu interessieren, die er als Mittel begreift, die Dinge zum Positiven zu wenden; die Kriminalität, Armut, Perspektivlosigkeit im Kiez belasten ihn. Er beschließt nach dem Studium doch nicht Ingenieur zu werden, sondern Lehrer im Quereinstieg, er ist sich sicher: „Bildung ist der Schlüssel für einen gelungenen Lebensweg“.

Er fängt an zu lesen. Und stößt auf das Konzept der sog. Peer Education. „Ganz einfach ausgedrückt, bedeutet Peer Education, dass Jugendliche andere Jugendliche unterrichten. Der Vorteil liegt darin, dass wir Bescheid wissen, was in den Köpfen der Schüler vorgeht. Wir können ganz anders auf sie eingehen, weil wir ihre Realität kennen, wir alle kommen selbst hier aus dem Kiez. Ich kenne die Eltern der Schüler, treffe sie auf der Straße oder beim Einkaufen, das schafft Vertrauen.“

Dieses Vertrauen ist ein wichtiges Fundament, denn auf dem Plan steht nicht nur die Arbeit, sondern auch das Vergnügen. Mindestens einmal im Monat unternehmen die Lehrer von ShS Ausflüge mit ihren Schülern, gehen Bowling spielen oder Trampolin springen; im Sommer findet ein alljährliches Sommerfest statt – Grillen und Buffett inklusive.

„Seien wir ehrlich“ sagt Ali, „der Wedding ist ein Dorf. Und die meisten der Jugendlichen hier verlassen dieses Dorf nicht; sie haben wenig Geld, wenig Bildung und wenig Perspektiven. Deshalb wollen wir zumindest ein bisschen dabei helfen ihren Horizont zu erweitern und zeigen, dass es noch mehr gibt als den Gesundbrunnenkiez und die Osloer Straße.“

Dieses Ziel zu erreichen fordert Zeit, Kraft – und Geld. Derzeit finanzieren einige wenige private Spender sowie die JaBe-Stiftung und die Stiftung Pfefferwerk das Projekt. Schmale Aufwandsentschädigungen für 10-15 Lehrer im Alter von 17-20 Jahren, die sich nicht nur um die Nachhilfe, sondern auch um die Ausflüge, Organisation und Werbung kümmern.

„Uns ist wichtig, dass wir hier im Wedding etwas Gutes tun“ sagt Lehrerin Riema (19), „außerdem macht die Arbeit für ShS mir auch einfach Spaß, da ist der Rest nur Nebensache.“

SprInt Leiter Herbert, der Ali bei der Gründung und Verwaltung von ShS geholfen hat, ist sichtlich stolz auf seine Tochter: „Das Projekt läuft wirklich super! Ich finde klasse, dass unsere Jugendlichen beschlossen haben, sich gegenseitig zu unterstützen, so ein Engagement bringt den Kiez voran. Außerdem schließt ShS eine wichtige Lücke: Nämlich die der ganz jungen Schüler von der ersten bis zur sechsten Klasse, die zu jung sind für den Förderunterricht an den restlichen Tagen.“

Aber nicht nur Herbert ist begeistert von ShS, sondern auch Frank-Walter Steinmeier. Steinmeier – Der Bundespräsident? Yes. Genau der.

Bundespräsident Steinmeier hat Ali nämlich zum diesjährigen Fastenbrechen nach Ende des Ramadans ins Schloss Bellevue eingeladen. Ali ist Stipendiat eines islamischen Begabtenförderwerks für Studenten und hatte sich bereits letztes Jahr im Rahmen des Tages der offenen Gesellschaft länger mit Steinmeier unterhalten. „Steinmeier konnte sich sogar noch an unser Projekt erinnern. Der Bundespräsident hat mich mit seinem Auftreten wirklich sehr beeindruckt: Er ist eloquent, freundlich und zugewandt. Ich glaube, dass er sich wirklich für das Gespräch interessiert hat. Wir haben über die Auswirkungen von Corona auf die Bildungsgerechtigkeit diskutiert, und ich habe ihm erzählt, dass wir während der Ausgangssperren versucht haben, den Kindern per digitalem Fernunterricht aus der Misere zu helfen. Das fand er ziemlich gut.“ Und das Essen? „War lecker, aber zu wenig“ sagt Ali und lacht.

Trotz manchmal leerem Magen und eher schmalem Budget läufts bei ShS also rund. Wir finden, dass unsere Tochter sich prächtig entwickelt und können nicht verhehlen, dass wir eine ziemlich stolze Mutter sind.

Damit wir auch in Zukunft den Schülern helfen können, benötigen wir Ihre Spende. Bitte unterstützen Sie uns unter: https://www.betterplace.org/de/projects/5160-bildungsforderung-sprint-eine-bessere-zukunft-fur-kinder-durch-bildung

 

Der Artikel stammt von Matthias Stoecker, Blogredakteur SprInt.

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