Samar im Gespräch

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Samar (19) kommt seit drei Jahren regelmäßig zu SprInt in den Medienhof-Wedding. „Ich brauchte Hilfe in Mathe“ sagt sie und grinst, „zum Glück gab es SprInt und Carsten (unser Mathelehrer, Anm. d. Verf.). Mit der Zeit ist der Medienhof-Wedding dann so ein bisschen wie ein zweites Zuhause geworden und ich habe mehrmals in der Woche bei euch vorbeigeschaut.“

Ihre Schullaufbahn war nicht immer leicht, zunächst besucht sie ein Gymnasium in Charlottenburg. „Da habe ich mich gar nicht wohl gefühlt. Ich wollte zwar unbedingt später einmal Abitur machen, aber ehrlich gesagt, war ich dort einfach überfordert. Ich hab‘ mich nicht getraut mich zu melden und saß während des Unterrichts einfach schüchtern in der Ecke.“ Also geht’s auf eine Sekundarschule im Wedding; „eine richtige Ghettoschule. Lernen war da eigentlich nicht möglich, alles war total chaotisch. Andererseits bin ich aufgeblüht, ich fand Freunde, meine Noten verbesserten sich und meine Lehrer haben mich sehr gefördert. Insbesondere meine Deutschlehrerin Frau V. hat sich im Laufe der Schulzeit zu einer wichtigen Ansprechpartnerin für mich entwickelt. In der zehnten Klasse bin ich sogar Schülersprecherin geworden“ erzählt Samar.

Danach geht’s auf eine Schule in Reinickendorf. Plötzlich ist Samar wieder gefühlt Außenseiter, denn hier gibt’s kaum Migranten und noch weniger Mädels, die Kopftuch tragen. Doch kein Problem: „Ich habe mich schnell integriert und Freunde gefunden. Ehrlich gesagt war die Atmosphäre deutlich angenehmer als auf meiner alten Schule. Endlich konnte man sich konzentrieren und dem Unterricht folgen und das Niveau war auch allgemein höher. Das hat mir gefallen.“

Samars alte Schule liegt im Wedding, die neue in Reinickendorf, beide sind nicht weit voneinander entfernt, dennoch liegen Welten zwischen ihnen – eine Erfahrung, die viele Jugendliche machen, die im Wedding aufwachsen, in den ihre Eltern einst aus fernen Ländern einwanderten. Samar ist in Berlin geboren, ihre Eltern stammen aus Palästina, sie spricht gleichermaßen Deutsch und Arabisch, ist gläubige Muslima. „Ich würde niemals etwas schlechtes über den Islam sagen“ antwortet sie auf die Frage nach dem Verhältnis zwischen Migranten und Biodeutschen hier im Kiez, „mich stören die vielen Vorurteile, die es gegen uns Muslime gibt, zum Beispiel, dass im Islam Frauen unterdrückt würden oder dazu gezwungen ein Kopftuch zu tragen. Das ist völliger Quatsch.“

Wegen ihrer Religion möchte sie sich auch nicht für unseren Blog fotografieren lassen – obwohl sie überhaupt nicht schüchtern ist, wenn man sich mit ihr unterhält. Trotzdem ist sie der Meinung: „Eine muslimische Frau sollte sich nicht zur Schau stellen.“

Samar ist stolze Muslima, ein kritisches Wort über ihre eigene Community kommt ihr nur schwer über die Lippen. Allerdings fügt sie sich auch nicht ein in das stereotype Bild, das einige von muslimischen Frauen haben und sie ist damit fast so etwas wie der Beleg ihrer eigenen These: Sie ist ambitioniert, selbstbewusst und diskussionsfreudig. Als sie den Medienhof-Wedding entdeckt, kommt sie fast jeden Nachmittag nach der Schule vorbei und lernt. „Ich wollte mir selbst etwas beweisen. Mein Ziel war es, dass wenigstens eine Eins auf meinem Abiturzeugnis steht. Ich hab mir selbst gesagt: Ich versuche es einfach zu mögen, jeden Tag lernen zu müssen. Und das hat geklappt.“

Wenn sie mit den Hausaufgaben fertig ist, debattiert sie lange und laut mit SprInt Leiter Herbert über Politik und Gesellschaft. „Wir haben wirklich oft eine unterschiedliche Meinung“ sagt Samar über die Gespräche mit Herbert, „aber gerade dann macht das Diskutieren ja besonders viel Spaß. Irgendwann bemerkt Herbert schon, dass ich recht habe“ sagt sie und lacht. „Natürlich habe ich großen Respekt vor Herbert und dem, was er mit SprInt hier für das Viertel tut. Ohne seine Hilfe wären hier viele Jugendliche aufgeschmissen.“

„Die Diskussionen mit Samar werde ich vermissen“ antwortet Herbert, „sie ist wirklich sehr motiviert und engagiert und ich hoffe, dass sie ab und zu nochmal bei uns reinschaut und wir weiter streiten können!“

Denn seit Juni hat Samar ihr Abitur in der Tasche, trotz Coronalockdown und mit ein bisschen digitaler Hilfe von SprInt; die Prüfungen in Politik, Englisch, Mathe, Sport und Darstellendem Spiel sind endlich vorbei. Besonders toll: Ihr Ziel mit der Eins auf dem Zeugnis hat sie geschafft, nämlich stolze dreizehn Punkte in Mathe. „Dabei mag ich Mathe nicht einmal besonders“ sagt sie und grinst.

Die Zukunft steht vor der Tür, vorher wird aber erstmal entspannt: „Erstmal ruhe ich mich aus und mache Ferien.“ Und dann?

„Früher wollte ich Sport studieren“. Samar ist begeisterte Sportlerin, hat Basketball im Verein gespielt und macht Fitness – den Verfasser dieser Zeilen hat sie auch schon dazu animieren wollen, doch einmal das ein oder andere Kilogramm abzuspecken. „Aber ich glaube mittlerweile möchte ich lieber etwas soziales machen, vielleicht eine Ausbildung oder ein duales Studium.“ Wo immer ihr Weg sie auch hinführen wird, wir von SprInt sind uns sicher, dass sie am Ende ihr Ziel erreicht. Alles gute, Samar.

 

 

Damit wir auch in Zukunft den Schülern helfen können, benötigen wir Ihre Spende. Bitte unterstützen Sie uns unter: https://www.betterplace.org/de/projects/5160-bildungsforderung-sprint-eine-bessere-zukunft-fur-kinder-durch-bildung

 

Der Artikel stammt von Matthias Stoecker, Blogredakteur SprInt.

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