Langsam kriecht der Mond hinter den Wolken hervor und ein paar letzte Schüler verlassen den Medienhof- Wedding. Endlich Feierabend nach einem langen Tag voller Frontalunterricht, Hausaufgaben und Nachhilfe. Aber offensichtlich ist nicht für alle Schluss, denn ein paar verkleidete Gestalten schlendern über den dritten Hinterhof in der Prinzenallee 25/26. Jemand trägt einen Eselskopf auf den Schultern und Förderlehrer Bright ist sogar in einen Anzug geschlüpft. Was ist denn da los?

Diverses Kieztheater Wedding

Seit einem guten halben Jahr geht das Kieztheater Wedding — produziert von SprInt — in die zweite Runde. Nachdem es 2022 Amazonen von Thor Truppel auf die Bühne gebracht hat, wagt es sich nun an eine Neuinterpretation des Sommernachtstraums von Shakespeare. Die Regie übernimmt erneut Kai O. Schubert, der dieses Mal auch das Skript verfasst hat. Die Besetzung ist ähnlich bunt wie letztes Jahr; von jung bis alt, migrantisch und biodeutsch, Handwerker und Akademiker — alle sind mit dabei. Viele der Schauspieler aus dem letzten Jahr sind dem Kieztheater erhalten geblieben; „Wir sind einfach eine eingespielte Truppe und verstehen uns sehr gut“ kommentiert SprInt-Leiter Herbert. Gemeinsam hat die Besetzung im Februar sogar ein ganzes Wochenende in Fläming verbracht, um zu proben, zu essen und zu feiern. Das schweißt zusammen.

„Der Weddinger Sommernachtstraum“

„Das Schreiben ist ein Prozess“ erzählt Kai, „ich habe kein fertiges Skript abgeliefert, sondern vielmehr ein paar Entwürfe zu den Proben mitgebracht und dann haben wir gemeinsam — Regisseur und die Schauspieler — an den Texten gearbeitet und geschaut, was sich gut anfühlt. Es ist auch nicht alles im Versmaß geschrieben, sondern einige Passagen sind auch als Prosa verfasst.“ Wie so häufig dreht sich in dem Stück insgeheim alles um die Liebe, die aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet wird und dabei facettenreich strahlt wie ein Brilliant. Das Original von Shakespeare entpuppt sich dabei als erstaunlich zeitgemäß, beispielsweise wenn es um Heiratsschranken geht, die er bereits im England des 16. Jahrhunderts zum Thema machte und die heute im Berliner Wedding fortbestehen. Dennoch ist das Stück eine Komödie und durchzogen von Ironie und Heiterkeit, ohne dabei aber gewisse Härten des Lebens — und des Kiezes — zu beschönigen.

Sozialer Brennpunkt Wedding

„Ich wohne seit über zwanzig Jahren an der Grenze zum Wedding“ erzählt Kai, der ursprünglich aus dem Ruhrgebiet stammt und gewisse Parallelen zwischen seiner alten und seiner neuen Heimat sieht; beide Gegenden seien ähnlich ehrlich und direkt, doch auch ein bisschen rau und roh (aber auf eine gute Art und Weise, findet Kai). „Außerdem veranstalte ich seit einigen Jahren ein Kindertheater im Soldiner Kiez. Da schaut zwar einerseits das Bürgertum aus dem Prenzlauer Berg vorbei, aber auch viele Kinder aus der Nachbarschaft, was ich natürlich super finde. Ich habe also einen gewissen Bezug zum Kiez.“ Der steht seit einiger Zeit unter Spannung, schließlich hat Corona die ohnehin schlechten Bildungschancen hier noch einmal verschlechtert. Das Kieztheater ist neben Sprachförderung und Hausaufgabenhilfe eine weitere Methode, diverse Menschen im Kiez zusammenzubringen, die deutsche Sprache und die Kreativität zu fördern. Von jeher hat sich SprInt im Medienhof-Wedding als Ort der Begegnung verstanden, an dem Menschen verschiedener Herkunft, Schicht und Religion sich austauschen. Eine Theateraufführung bietet hierfür wieder einmal die Möglichkeit, dieses Mal ab Ende Mai. Am 27. Mai ist die Premiere! Kommt alle gern vorbei; es wird wieder großartig!