„Mein Herz würde sich für alle drei entscheiden“

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Hinter den SchülerInnen, die jeden Tag zum Medienhof-Wedding kommen, stecken spannende Geschichten: Erzählungen von Flucht und Migration, dem Fremdsein und der Identitätssuche. Erfolgsgeschichten und solche vom Scheitern. Geschichten von großen Träumen und kleinen Chancen.

Im Oktober hört ihr Brights Geschichte. Seine Familie kommt aus Nigeria, er hat einen niederländischen Pass und wird in Deutschland Abitur machen. Im Interview erzählt er über sehr deutsche Nachbarn, verwirrende Klischees und seinen Traum, Medizin zu studieren.


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…und wenn Ihr nicht so viel Zeit mitgebracht habt: Hier noch einmal Brights wichtigste Aussagen verschriftlicht:

IDENTITÄT UND SPRACHE

„Meine Familie kommt aus Nigeria. Ich bin in den Niederlanden geboren, und mit 5 Jahren nach Deutschland gekommen.“

„ Mein Vater ist LKW- Kraftfahrer und meine Mutter ist als Hausfrau tätig. Ich habe drei Geschwister.“

„In meiner Familie sprechen wir hauptsächlich Englisch. Das ist die Kolonialsprache in Nigeria. Mit meinem Bruder spreche ich Deutsch. Und mit meinem Vater manchmal gemischt, damit sich seine Sprachkenntnisse verbessern.“

„Bei mir begann das Deutschlernen in der Vorschule. Das war mein eigenes Interesse. Ich habe mich immer mehr für die deutsche Sprache interessiert. Dadurch ist mein Niederländisch abhanden gekommen. Es ist schwer für einen 5 Jährigen drei Sprachen zu sprechen. Ich plane aber Niederländisch wieder zu lernen.“

„Ich habe nur einen niederländischen Pass.“

„Über meine Identität habe ich schon in der siebten Klasse nachgedacht. Da sollten wir einen Vortrag über unser Land machen. Ich habe dann einen über Nigeria und einen über die Niederlande gemacht.“

„Streng betrachtet habe ich drei Hintergründe. Für mich teile ich das auf: Nigeria ist meine Heimat, Niederlande ist meine Staatsbürgerschaft, ich bin Niederländer, und in Deutschland lebe ich. Wie jeder andere Immigrant bin ich auch ein Deutscher, weil ich hier lebe. Das ist verwirrend, aber ich denke nicht zu viel darüber nach“

„Wenn ich gefragt werde, woher ich bin, sage ich Niederlande. Dann wundern sich die Meisten. Gut, es gibt auch viele Dunkelhäutige in den Niederlanden, aber das wissen die meisten nicht. Und das kommt interessanter, als wenn ich jetzt sage, ich komme irgendwo aus Afrika.“

„Mein Herz würde sich für alle drei entscheiden“

„Die nigerianische Kultur ist ziemlich anders als die deutsche. Und zuhause haben wir deswegen auch manchmal einen leichten Konflikt. Wie sollen wir erzogen werden? Mehr traditionell wie in Afrika, respektmäßig und so?“

„In Nigeria ist 18 Jahre nur eine Zahl. Das ändert nichts daran, dass im Hause des Vaters das Wort des Vaters gilt. Und alle müssen streng anpacken.“

ERFAHRUNGEN MIT RASSISMUS

„Wenn ich morgen aufstehen würde und nicht mehr schwarz wäre, dann wäre einiges anders. Die Erwartungen in Deutschland sind fragwürdig. Ich verstehe die nicht.“

„Ach so, Klischees: Die Schwarzen müssen gut tanzen können, gut singen können und Hühnchen mögen. Sie müssen mega cool drauf sein. Man kennt das gar nicht, das Schwarze auch gebildet sein können und was erreichen wollen. Da kommt man auch an die Grenze, wo man Schwarze als niedere Schicht betrachtet.“

„Normalerweise denkt man: Der Schwarze endet im Gefängnis“

„In meiner Schule bin ich einer der ganz Seltenen. Und ich falle extrem auf. Ich würde meine Hautfarbe aber niemals gegen die Toleranz von anderen eintauschen.“

„In Deutschland gibt es einen leichten Rassismus“

„Ich hatte mal sehr deutsche Nachbarn. Die haben mich nicht gemocht. Wir durften nicht zu den Geburtstagspartys von den Töchtern. Manchmal durften wir als Ausnahme zu den Grillabenden. Aber das war ein Gnadenakt. Die haben uns richtig mies behandelt gegenüber weißen Besuchern der Party. Man muss sich das mal vorstellen. So geht man doch nicht mit einem zehnjährigen Kind um. Dafür kann man sich schämen. Toleranz, dieses Wort kennen die nicht.“

ZIELE

„Mein Bruder und ich sind die ersten in der Familie, die Abitur machen werden.“

„Meine Eltern haben sich schon früher immer gewünscht, dass aus mir was wird. Sie wünschen sich einen schönen Beruf für mich.“

„Ich würde schon eine Deutsche heiraten. Ich bin da flexibel.“

„Ich möchte Medizin studieren, vielleicht Chirurg werden.“

„Ich weiß, wenn ich will, dann kann ich.“

„Mein Vater wollte, dass wir es besser haben. Und dann tut man, was man kann.“

„Die Weißen haben ihre Vorurteile, wenn sie einen Schwarzen putzen sehen. Mein Vater will, dass ich auch mal die Weißen rumkommandiere.“

SCHULE

„Gerade, wenn es um den MSA geht, hätte die Schule die Kinder mit Migrationshintergrund mehr fördern sollen. Damit sie auch mit den Deutschen in Rechtschreibung mithalten können.“

„Ich habe immer drum gebettelt, dass wir mehr Texte in Deutsch machen.“

„Es hat alles damit angefangen, dass ich in der zehnten Klasse mit meinem Vater zum Medienhof-Wedding gekommen bin. Ich musste mein „oral exam“ im MSA vorbereiten. Später bin ich dann wiedergekommen, als ich meine Zusatzprüfung hatte. Da hat mir der Carsten geholfen, der hat mir dann hier so ein Buch hingelegt.“

„Von meiner Schule zum Medienhof-Wedding dauert es eine knappe Stunde.“

„Ich komme jetzt immer vor meinen Klausuren zum Medienhof-Wedding. Bis jetzt waren es immer gute, solide Noten dann.“

 

Das Interview führte Herbert Weber. Verschriftlicht und geschnitten von Mascha Malburg. Bright ist volljährig und hat seine Einverständniserklärung zur Veröffentlichung gegeben. Alle Rechte liegen bei SprInt.

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