Jahresrückblick 2024: Ein Jahr voller Bildungserfolge im Wedding
Berlin-Wedding, 19. Dezember 2024 – vom SprInt-Team
Nach einer schönen Adventszeit schließt der Medienhof seine Tore bis zum nächsten Jahr. Ab dem 6. Januar können Schülerinnen und Schüler wieder jeden Nachmittag kostenlose Nachhilfe bei uns bekommen. Hier möchten wir mit Ihnen auf das vergangene Jahr zurückblicken.
Das erwartet Sie in unserem Jahresrückblick 2024:
- In eigener Sache – Standortbestimmung von unserem Geschäftsführer Herbert Weber
- Zahlen aus dem Medienhof
- SprInt unterstützen
- Projekte und Veranstaltungen
In eigener Sache – Standortbestimmung
Wie in den letzten 19 Jahren waren auch dieses Jahr unsere beiden Räume voll mit Kindern und Jugendlichen aus dem Soldiner Kiez, die lernen wollten, die nach besseren Noten streben. Es gibt viele Vorurteile über Wedding/Gesundbrunnen. Hier passieren Messerstechereien, Gewalt gegen Frauen, kriminelle Delikte im Übermaß; die soziale Situation vieler Familien ist prekär; die Schulleistungen an den Schulen sind unterirdisch. Das mag zum Teil sogar zutreffen.
Im Medienhof aber nicht. Wir haben hier einen Platz geschaffen, an dem die Kinder sich – nach eigener Aussage – sicher und wohl fühlen. Es ist uns schon lange gelungen, in diesem schwierigen Kiez einen besonderen Ort zu etablieren. Hierher kommen lernwillige, ambitionierte Kinder gerne, weil sie eine inspirierende Lernatmosphäre und viele engagierte junge Nachhilfelehrer vorfinden, die ihnen persönlich weiterhelfen wollen. Zudem treffen sie hier Mitschüler, die ähnlich ehrgeizig sind wie sie.
Entsprechend können wir viele Geschichten von diesen Kindern erzählen. Zum Beispiel von dem Grundschüler aus einer afrikanischen Flüchtlingsfamilie, der sich durch den täglichen Besuch unserer Einrichtung so verbessert hat, dass die Lehrerin auf ihn aufmerksam wurde. Er überredete dann die Lehrerin und viele in der Klasse, sich den Medienhof von ihm zeigen zu lassen. So kam er stolz hier mit seiner Klasse und der Klassenlehrerin an. Oder das zwölfjährige Mädchen aus Palästina, das erst seit einem guten Jahr in Deutschland ist, aber es mit seinem Ehrgeiz im nächsten Jahr schon auf das Gymnasium packen will – und wahrscheinlich auch packen wird. Oder Sengül, unsere ehemalige Schülerin, die jetzt Pädagogik studiert und als studentische Lehrerin an einer unserer Partnerschulen arbeitet. Das könnte ewig weitergehen …
Man merkt, wenn man hier arbeitet, dass der Medienhof Wedding ein Ankerpunkt ist, die Arbeit hier wirklich Sinn ergibt und man sinnbildlich – wie bei unserem jährlichen Stockbrotbacken – von einem Hefeteig sprechen kann, der ständig aufgeht.
Für mich als Leiter ist es angesichts der tausenden von Besuchen im Jahr von hunderten von Kindern immer etwas betrüblich, angesichts dieser Erfolge das Gefühl zu haben, ständig am Abgrund entlangzufahren. Unsere Finanzierung ist immer nur für ein Jahr gesichert. Meine Hoffnung war, dass das Startchancenprogramm uns eine längerfristige Perspektive geben könnte, denn die Politik spricht ja immer davon, wie wichtig Bildungsgerechtigkeit wäre, wie essentiell bessere Startchancen für die vielfach benachteiligten Kinder aus unserem Einzugsgebiet wären. Und wir vermitteln ja schon seit Jahren vornehmlich bessere Startchancen.
Aber dieses Programm ist ein Bundesprogramm und wir werden vom Land Berlin finanziert, das immer weniger Geld hat. Das Startchancenprogramm ist für Schulen gedacht, wir sind aber eine außerschulische Einrichtung. Die Hoffnungen haben sich also zerschlagen. Das Gegenteil ist eher eingetreten. Schon am Anfang des Jahres mussten viele sozialpädagogische Einrichtungen im Bezirk Mitte mit massiven Kürzungen rechnen – auch wir. Nur durch die Einsicht und die Unterstützung von SPD-Politikern wie Maja Lasić oder CDU-Politikern wie Falko Liecke konnten wir dieses Jahr überhaupt eine massive Kürzung unseres Landeszuschusses in Höhe von 210.000 Euro abwenden.
Aber auch ohne Kürzung wird es schwierig für uns. Der Zuschuss hat sich fünf Jahre lang nicht erhöht. Die Kosten für Honorare und Energie sind jedoch massiv gestiegen. Wir brauchen deshalb im Jahr mindestens 50.000 Euro an Spenden und Stiftungsgeldern, um unseren Eigenanteil und die gestiegenen Kosten zu finanzieren. In den letzten Jahren hatten wir zum Glück Unterstützung durch die Kemis-Stiftung und die Oscar- und Adelheid-Meirowitz-Stiftung sowie durch viele wohlgesinnte Spenderinnen und Spender, die uns über Wasser hielten. Ich danke Ihnen von ganzem Herzen dafür. Aber es ist nicht klar, ob das auch in Zukunft so weitergehen wird. So sind in diesem Jahr die Spenden weniger geworden, aber die Kosten gestiegen, sodass die Schere weiter auseinandergeht.
Meine Strategie war deshalb, mich mehr auf das „Kerngeschäft“ zu konzentrieren, was bei uns heißt: alles in die Förderung der Kinder. Wir hatten hier ein wunderbares Kieztheater entwickelt, das auf viele Menschen im Kiez inspirierend wirkte und viele Leute hier zusammenbrachte. Das haben wir aber nun eingestellt, da zu viele Ressourcen an Zeit, Arbeit und zusätzlicher Finanzakquise durch das Theater gebunden waren. Auch aus einigen Gremien bin ich ausgetreten, um mich mehr auf den Fortbestand von SprInt im Medienhof Wedding und die Bildungsförderung zu konzentrieren.
Außerdem haben wir vor, noch mehr als bisher die Ergebnisse und die Wirkmächtigkeit unserer Arbeit zu belegen. So gab es im Sommer eine umfassende Evaluation durch Fatjona Gashi – eine ehemalige Schülerin von uns, die jetzt examinierte Politikwissenschaftlerin ist – bei der herauskam, dass sich unsere Schüler bei regelmäßigem Besuch im Durchschnitt um mindestens eine Note verbessern und als einzige Kritik äußerten, dass die Öffnungszeiten zu kurz und die Nachhilfelehrer zu wenige seien.
Daneben versuchen wir, durch eine Neuaufstellung der Öffentlichkeitsarbeit mehr Spender, Firmen und Stiftungen für unsere Sache zu gewinnen. Dafür konnten wir den kompetenten ehemaligen Journalisten Enno Eidens gewinnen, der schon viele Medienkanäle erweitert hat. Wir befürchten, dass die Kürzungen in Zukunft weitergehen werden und wollen nicht nur auf der Säule der öffentlichen Zuwendung stehen. Denn wenn die mal ganz wegbrechen sollte, sind auch wir geliefert.
Angesichts der Einnahmen-Kosten-Schere und der abnehmenden Finanzierungsfähigkeiten des Staates erscheint es schon schwierig, überhaupt unsere Arbeit im Medienhof vernünftig fortzusetzen. Auf der anderen Seite haben wir aber sogar große Pläne für die Zukunft. Denn angesichts der schlimmen Bildungsmisere im Wedding kann man gar nicht genug unternehmen:
- So wollen wir in den nächsten beiden Jahren einen neuen Standort in der Weddinger Wiesenburg eröffnen.
- Wir haben das Schüler-helfen-Schülern-Projekt neu aufgesetzt und die gegenseitige Hilfe der Weddinger Schüler klappt hervorragend.
- Außerdem ist das Patenschaftsprojekt, das Alina Grimbo seit dem letzten Jahr leitet, ein großer Erfolg. Hier können Ehrenamtliche und Studenten mit einzelnen Patenkindern zu Hause an besserem Lesen, Schreiben und Rechnen arbeiten. Dadurch entsteht eine permanente und persönliche Förderung in Verbindung mit den Familien der Kinder. Das ist eine gute Ergänzung zu unserem niedrigschwelligen, freien Angebot im Medienhof.
Wir freuen uns über alle, die sich für unsere Arbeit interessieren. Hilfe brauchen wir nicht nur durch Geldspenden, sondern bei uns im Medienhof Wedding gibt es die Möglichkeit, selbst Nachhilfe für die Kinder zu geben oder eine Patenschaft zu übernehmen. Vielleicht hat auch mal jemand Lust, Betreuer bei der Ausflugswoche zu werden oder den Teig für das Stockbrot anzusetzen. Es wäre schön, wenn sich unser Unterstützer- und Freundeskreis immer mehr erweitert.
– Herbert Weber, Gründer und Geschäftsführer SprInt
E-Mail: herbert.weber@bildung-sprint.de, Telefon: +4930 49768460
Zahlen aus dem Medienhof
Unsere 93 studentischen Förderlehrkräfte haben gemeinsam über 6000 Förderstunden für über 1000 Schülerinnen und Schüler geleistet. Dabei kommen nicht nur Kinder aus dem Wedding zu uns – aus vielen Teilen Berlins kommen sie inzwischen in den Medienhof. Das zeigt, wie wichtig diese Arbeit für Berlins Schülerinnen und Schüler ist.
Einen tieferen Einblick in die Wirkung unserer Arbeit gibt Ihnen dieser Artikel, für den wir im Rahmen einer Studie einige unserer Schülerinnen und Schüler befragt haben. Für unseren nächsten Newsletter im Sommer dieses Jahres werden wir weitere Statistiken aus dem Medienhof aufbereiten.
SprInt unterstützen
All das ist nur möglich, weil uns das Land Berlin und viele Spender*innen großzügig unterstützen. Dafür möchten wir Ihnen heute ganz besonders danken. Ihre Spende schafft Bildungschancen! Ihre Spende sorgt dafür, dass Kinder dringend benötigte, individuelle Förderung erhalten. Sie tragen damit zur Entfaltung der Potenziale dieser jungen Menschen bei. Vielen Dank!
Sie möchten unsere Arbeit unterstützen? Auf unserer Spendenseite finden Sie verschiedene Möglichkeiten zu spenden. Am schnellsten geht es über Betterplace. Engagieren können Sie sich auch persönlich – etwa als Pat*in oder als Nachhilfelehrer*in. Sprechen Sie uns an!
Projekte und Veranstaltungen
Dieses Jahr kehrte im Medienhof Wedding nur selten Ruhe ein. Erfolgreiche Projekte wurden fortgesetzt und neue begonnen, die Kinder haben Ausflüge unternommen und einen Adventskalender mit Leben gefüllt. Lesen Sie hier, was im Jahr 2024 alles passiert ist.
Demo gegen Bildungskürzungen
Das Jahr begann mit einem starken Signal: Im Januar protestierte SprInt gemeinsam mit anderen Bildungseinrichtungen gegen drohende Kürzungen im Bezirk Mitte. Die Botschaft kam an – die befürchteten Einschnitte konnten abgewendet werden.
EU-Rollenspiel „Werde Politiker:in für einen Abend“
Politik hautnah erleben: Im Mai simulierten Jugendliche im Medienhof eine Sitzung des EU-Parlaments. Bei der Debatte um die CO2-Kennzeichnungspflicht lernten sie, wie europäische Politik funktioniert – und das pünktlich zur ersten Europawahl, bei der viele von ihnen selbst abstimmen durften.
Patenschaftsprojekt
Nach dem erfolgreichen Start 2023 ging das Patenschaftsprojekt 2024 von Projektleiterin Alina Grimbo in die zweite Runde. 14 neue Pat*innen kamen im neuen Schuljahr dazu, während die meisten der bestehenden Patenschaften fortgeführt wurden. Die regelmäßigen Treffen und gemeinsamen Ausflüge schaffen eine vertrauensvolle Basis für nachhaltige Lernfortschritte.
Kieztheater „Störungen im Betriebsablauf“
Vom Physiker auf der Flucht bis zur träumenden U-Bahn-Fahrerin: Das Kieztheater Wedding brachte 2024 mit „Störungen im Betriebsablauf“ die vielfältigen Geschichten der U8 auf die Freilichtbühne. Das selbstgeschriebene Stück begeisterte bei der Premiere Ende Juni und bei weiteren Aufführungen im August das Publikum mit seiner Mischung aus Humor, Poesie und Berliner Schnauze.
Schüler helfen Schülern
Jeden Freitag verwandelt sich der Medienhof in einen besonderen Lernort: Hier helfen Oberstufenschüler und junge Studierende den Jüngeren bei den Hausaufgaben. Unter der Leitung von Ranim Hassan, die selbst als Schülerin zu SprInt kam und heute Wirtschaftsingenieurwesen studiert, ist das Projekt ein Paradebeispiel dafür, wie Bildungserfolg im Wedding aussehen kann.
Sommer-Ausflugswoche
Fünf Tage voller Abenteuer: Über 20 Kinder erlebten in der Ausflugswoche Berlin von seiner spannendsten Seite – von den Gärten der Welt über den Kletterpark bis zum Plötzensee. Die bunte Gruppe aus verschiedenen Ländern wuchs schnell zusammen und viele der „Ferienkinder“ kommen jetzt regelmäßig in den Medienhof.
DaZ-Fortbildung
Im September trafen sich über 20 SprIntler*innen zur jährlichen Fortbildung in Deutsch als Zweitsprache (DaZ). Unter Leitung der FU-Dozentin Barbara Krischer lernten sie, wie sie Fachtexte für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache aufbereiten können. Das neue Wissen fließt direkt in die tägliche Förderarbeit ein.
Lebendiger Adventskalender
Ein vorweihnachtlicher Höhepunkt im Soldiner Kiez: Der Lebendige Adventskalender brachte auch 2024 wieder Kinderaugen zum Leuchten. Bei SprInt wurden Stockbrot und Marshmallows gegrillt, Würstchen gebrutzelt und gemeinsam gebastelt. Die Aktion zeigt, wie lebendig die Bildungspartnerschaft im Kiez ist.
Lassen Sie uns im Gespräch bleiben
Wir wollen Sie besser über unsere Arbeit informieren. Dafür werden wir in Zukunft noch mehr auf Sie, aber auch auf Politik, Presse und die interessierte Öffentlichkeit zugehen. Für diesen Zweck werden wir auch unsere Arbeit auf Instagram sowie die Inhalte auf unserem Blog weiter ausbauen. Es würde uns freuen, wenn Sie uns dort besuchen. Bitte leiten Sie diesen Newsletter auch an Menschen weiter, die sich für Bildungschancen interessieren. Falls Sie Anregungen für Inhalte haben oder sich selbst redaktionell beteiligen möchten, wäre das ebenfalls sehr schön. Melden Sie sich dafür gerne bei Enno Eidens, dem neuen Verantwortlichen für unsere Öffentlichkeitsarbeit.
Vielen Dank für Ihre Unterstützung!
Das ganze Team von SprInt dankt Ihnen sehr für Ihre Unterstützung. Wir wünschen Ihnen schöne Feiertage und einen guten Rutsch ins neue Jahr. Bleiben Sie uns gewogen und besuchen Sie uns mal im Medienhof!
Ihr SprInt-Team