Was Bildung heute leisten muss – ein Praxisbeispiel aus dem Wedding

Berlin-Wedding, 22. Januar 2025 – von Herbert Weber und Enno Eidens

Schüler bei der Hausaufgabenhilfe im Medienhof Wedding

Der renommierte Bildungsforscher Aladin El-Mafaalani stellt in seinem neuen Buch einen alarmierenden Befund: Schulen können ihre traditionelle Rolle als familienergänzende Institutionen nicht mehr erfüllen. Sie müssen „multifunktionaler werden – und damit zum Teil familienersetzend.“ Ein Blick in den Berliner Wedding zeigt: Was der Wissenschaftler fordert, wird hier seit Jahren erfolgreich praktiziert.

Es ist ein gewöhnlicher Mittwochnachmittag im Medienhof Wedding. An den Gruppentischen sitzen Schülerinnen und Schüler über ihren Hausaufgaben, während Lehramtsstudierende zwischen ihnen zirkulieren und bei Fragen zur Stelle sind. Viele der Kinder kommen mehrmals pro Woche hierher – manche sogar täglich. Was sie in der Schule nicht verstanden haben, wird hier so lange erklärt, bis es sitzt. Die Erfolge sprechen für sich: Bei regelmäßigen Besuchen verbessern sich die Noten oft um ein bis zwei Stufen. 

Was hier passiert, geht weit über klassische Nachhilfe hinaus. „Viele unserer Schülerinnen und Schüler brauchen mehr als nur fachliche Unterstützung“, erklärt Herbert Weber, Gründer und Geschäftsführer von SprInt. „Sie brauchen einen Ort, wo sie in Ruhe lernen können, wo sie Vorbilder finden und wo sie systematisch an ihren sprachlichen und fachlichen Grundlagen arbeiten können.“

Wo die Schule an ihre Grenzen kommt

El-Mafaalani betont in seinem neuen Buch „Kinder – eine Minderheit ohne Schutz“, dass traditionelle Bildungseinrichtungen oft von impliziten Normalitätsannahmen ausgehen: deutschsprachiges Elternhaus, ein Elternteil halbtags zu Hause, kulturelle Vorerfahrungen. Im Wedding, wo die Muttersprache vieler Kinder nicht Deutsch ist und viele aus bildungsfernen Familien kommen, gehen diese Annahmen an der Realität vorbei. Hier braucht es eine durchgängige Sprachförderung, Persönlichkeitsbildung und intensives Training von Standardkompetenzen.

„Genau hier setzen wir an“, sagt Alina Grimbo, die das Patenschaftsprojekt von SprInt leitet. „Unsere Pat*innen gehen zu den Kindern nach Hause, lernen die Familien kennen, bauen Brücken.“ Das Projekt verbindet intensive Sprach- und Lernförderung mit pädagogischer Begleitung. „Wir arbeiten mit den Kindern nicht nur an ihren fachlichen Fähigkeiten“, ergänzt Weber. „Genauso wichtig ist die Persönlichkeitsbildung – Selbstvertrauen aufbauen, Lernmotivation stärken, Ziele entwickeln.“

Die Erfolge geben dem Ansatz recht. Über 1000 Schülerinnen und Schüler besuchen jährlich den Medienhof, viele verbessern ihre Noten deutlich. Ehemalige „SprIntler“ studieren heute an Universitäten oder machen eine Ausbildung. Manche kommen als studentische Lehrkräfte zurück oder engagieren sich ehrenamtlich  – wie Ranim Hassan, die heute Wirtschaftsingenieurwesen studiert und nebenbei das SprInt-Projekt “Schüler helfen Schülern” leitet.

Investition in die Zukunft

El-Mafaalani fordert in seinem Buch eine „deutliche Steigerung der Ausgaben“ im Bildungsbereich. Die Realität sieht anders aus: Während die Anforderungen steigen, kämpfen Einrichtungen wie SprInt um ihre Finanzierung. „Wir leisten hier wichtige Präventionsarbeit“, betont Weber. „Jeder Euro, den wir heute in die Bildung dieser Kinder investieren, spart der Gesellschaft später ein Vielfaches.“

Der Medienhof Wedding zeigt: Erfolgreiche Bildungsarbeit in einer vielfältigen Gesellschaft braucht mehr als nur Unterricht. Sie braucht Menschen, die Beziehungen aufbauen. Sie braucht Räume, in denen Kinder sich entfalten können. Und sie braucht eine langfristige Perspektive.

Damit wir auch in Zukunft den Schülern helfen können, benötigen wir Ihre Spende. Bitte unterstützen Sie uns unter: https://foerderunterricht-sprint.de/spenden/

Dieser Artikel stammt von SprInt-Leiter Herbert Weber und SprInt-Redakteur Enno Eidens.

Herbert Weber ist gelernter Landschaftsgärtner und studierte später Politikwissenschaft, Geographie und Deutsch auf Lehramt und Magister. Nach einer Zeit als Deutschlehrer und Redakteur gründete er 2005 SprInt.

Enno Eidens studierte Publizistik, arbeitete in der Öffentlichkeitsarbeit und als Journalist. Gegenwärtig studiert er Erwachsenenbildung an der Humboldt-Universität zu Berlin und unterstützt die Öffentlichkeitsarbeit von SprInt.