Abschied von Johannes

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Diesen Sommer mussten wir nach zwölf Jahren leider Abschied von Johannes nehmen – keine Sorge, er ist nicht gestorben, sondern hat vielmehr diesen Herbst sein Referendariat für Deutsch und Geschichte an einem Gymnasium in Berlin-Marzahn begonnen. Da bleibt dem angehenden Lehrer und Vater zweier Kinder leider keine Zeit mehr für Nachhilfe im Medienhof-Wedding. Zumal Johannes nicht nur zahlreiche Schüler/innen durch Abitur und MSA gebracht hat, sondern auch tatkräftig in der Verwaltung und Organisation von SprInt mitwirkte. „Natürlich bin ich traurig, dass ich jetzt erstmal nicht mehr vor Ort sein werde“ erzählt er im Gespräch, „es war einfach eine tolle Zeit, die mich stark geprägt hat.“

2008 beginnt Johannes den Kids aus dem Kiez Nachhilfe zu geben, zunächst noch in der Bibliothek im Luisenbad, einer der frühen Außenstandorte von SprInt. Dann ab 2010 ist er regelmäßig im Medienhof-Wedding vor Ort. „Die Arbeit für SprInt war ein Augenöffner für mich. Wie viele meiner Kollegen bin ich hier mit einem Milieu konfrontiert worden, mit dem ich vorher noch nicht in Berührung gekommen war: Mit eher ärmeren Kindern aus migrantischen Familien, deren Eltern kein Deutsch sprechen, die sehr konservativ und religiös sind und nur wenig Interesse haben, an der deutschen Mehrheitsgesellschaft zu partizipieren.“ Keine leichten Voraussetzungen also für die Kids erfolgreich die Schule zu absolvieren und einen Beruf zu erlernen, der ihnen nicht nur Freude bereitet, sondern auch ein gewisses Maß an Wohlstand ermöglicht: „Hier habe ich das erste Mal wirklich gemerkt, dass unsere Gesellschaft an dieser Stelle ein Problem hat.“

Aber Probleme sind dafür da, um gelöst zu werden: Schließlich gibt es SprInt – und Johannes hilft kräftig mit, kommt mehrmals die Woche in den Medienhof-Wedding, um Nachhilfe in Deutsch, Geschichte, Englisch zu geben, je nachdem, wo gerade Not am Mann ist: „Die Arbeit hier hat sich schon manchmal angefühlt, als wäre das alles nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Allerdings habe ich auch die Erfahrung gemacht, dass zu uns Schüler/innen kommen, die wirklich lernen wollen – und denen können wir wirklich helfen.“ Die Arbeit ist also nicht umsonst: Zahlreiche Schüler/innen machen mit Johannes Hilfe ihr Abitur oder ihren MSA, gehen an die Uni studieren und kommen gut zurecht im Leben – trotz eingangs erwähnter Startschwierigkeiten. „Trotzdem möchte ich nicht leugnen, dass wir hier manchmal an unsere Grenzen stoßen: Der Wedding ist eine harte Nuss, dessen Schale schwer zu knacken ist. Viele verharren in den Strukturen, aus denen sie stammen und trauen sich später nicht, einmal über den Tellerrand zu blicken: Auch wenn sie dies mit Abitur in der Tasche eigentlich könnten.“ Viel Licht und Schatten also.

Trotzdem hat Johannes über die Jahre zahlreiche Freundschaften im Medienhof-Wedding geschlossen. Nicht nur mit SprInt Leiter Herbert und Koordinator Carsten, sondern auch mit den Schülerinnen und Schülern, die er in all den Jahren betreut hat. „Ich war auf ein paar Abizeugnisverleihungen unserer Jugendlichen, und als sich die Schüler/innen da noch einmal extra in einer Abschiedsrede bei uns bedankt haben, war ich ehrlich gesagt schon gerührt.“

Aber Johannes hat nicht nur die Schüler/innen geprägt, auch umgekehrt hat ihn die Arbeit für SprInt verändert: Der studierte Afrikahistoriker entscheidet sich 2015 dazu, Lehrer zu werden und an seinen Master in Geschichte ein Lehramtsstudium in Deutsch dranzuhängen. „Die Jugendbildungsarbeit hat mir einfach großen Spaß gemacht. Außerdem hatte ich durch die Nachhilfe so viel Erfahrung gesammelt, dass ich dachte, es sei sinnvoll die Schüler jetzt auch mal im Klassenzimmer selbst zu unterrichten.“

Das stimmt allerdings. Besonders wenn man das so gut kann wie Johannes, den wir jetzt schon sehr vermissen: „Natürlich wird mir SprInt fehlen: Der herzliche Umgang mit den Jugendlichen, Herbert und Carsten. Das war wirklich eine wunderbare Zeit, aber natürlich freue ich mich jetzt darauf, eine neue Herausforderung anzutreten und Lehrer zu werden.“

Das verstehen wir natürlich und wünschen Johannes dabei alles erdenklich Gute! Wir sind uns sicher, dass er auch diese Herausforderung mit Bravour meistern wird.

 

 

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Der Artikel stammt von Matthias Stoecker, Blogredakteur SprInt.

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