Unsere erste ukrainische Schülerin

alt-text

Die erste ukrainische Schülerin, der SprInt Deutschunterricht geben durfte, war ein 13-jähriges Mädchen namens Sonia.

Sonia, ihre Mutter und ihre kleine Schwester kamen zu uns in den Medienhof-Wedding und fragten, ob wir ihnen helfen könnten, Deutsch zu lernen.

Am Anfang kannte Sonia nur ein einziges deutsches Wort ,,Hallo“ und auch im Englischen hatte sie Schwierigkeiten, sodass es für uns sehr schwer war, in ein Gespräch zu kommen oder einander zu verstehen. Glücklicherweise sprach ihre Mutter fließend Englisch und so konnten wir uns miteinander verständigen.

Es war das erste Mal, dass ich Deutsch unterrichtete, und ich war unsicher, wie ich das anstellen sollte und ob ich Sonia helfen konnte. Aber gleich nachdem wir angefangen hatten, lief alles sehr gut und wir konnten in 2 Wochen viel lernen. 

Ich kann mich noch sehr gut an unsere erste Stunde erinnern, Sonia war sehr schüchtern und wollte nicht, dass ihre Mutter von ihrer Seite weicht, aber nachdem sie sich an mich gewöhnt hatte, war es für sie in Ordnung, alleine mit mir Unterricht zu nehmen.

Sie war sehr motiviert, Deutsch zu lernen und lernte auch sehr schnell. Ich finde es immer noch faszinierend, wie viel sie in nur zwei Wochen gelernt hat. Nachdem sie sich bei mir vorstellen konnte, habe ich sie zu den anderen Schülern und Lehrern gebracht, damit wir das Gelernte gemeinsam üben konnten. Sie freute sich sehr über die kleinen Gespräche, die sie mit anderen führte.

Die jüngeren Schüler waren neugierig auf das, was ich mit Sonia machte, und sie wollten auch an unserem Unterricht teilnehmen. In der zweiten Stunde kam eine jüngere Schülerin zu Sonia und mir und beobachtete uns eine Weile, während wir die Farben übten. Dann holte sie ihr Mäppchen aus der Tasche und begann Sonia mit ihren Malstiften die Farben beizubringen. Nach einer Weile kamen weitere Schüler und wir entwickelten ein kleines Spiel, um Sonia die Farben auf spielerische Weise beizubringen. Es war sehr beeindruckend zu sehen, wie unsere Schüler bereit waren, ihr auf jede erdenkliche Weise zu helfen, und sie waren sehr stolz, wenn Sonia die richtige Farbe sagte. Es war so schön zu sehen, wie sie miteinander umgingen, und ich war sehr stolz auf unsere Schüler, weil sie so viel Hilfsbereitschaft zeigten.

Sie zu unterrichten war anders als der Unterricht mit unseren anderen Schülern. Abgesehen von der Sprachbarriere, die wir überwinden mussten, hatte ich während des Unterrichts auch mit vielen anderen Gefühlen zu tun.

Bald begannen wir, über Themen wie Familie und Freunde zu sprechen, und dann wurde unser Unterricht ernst. Wir übten die Wörter für Familie wie Mutter, Schwester und Vater. Sie hatte kein Problem damit, über ihre Mutter und ihre kleine Schwester zu sprechen, aber immer wenn sie über ihren Vater sprechen musste, wurde sie sehr schnell ernst und traurig. Ich wusste, dass ihr Vater in der Ukraine geblieben war und dass sie allein in Deutschland sind, ohne andere Verwandte. Sie wusste nicht, wie es ihrem Vater geht, weil sie so wenig Kontakt hatten. Ich wusste nicht, was ich in diesen Momenten sagen sollte, mir fehlten die Worte um sie zu trösten, und selbst wenn ich die Worte hätte, würde sie es auf deutsch nicht verstehen. Obwohl ich sah, dass sie sich unwohl fühlte, wenn ihr Vater im Mittelpunkt des Unterrichts stand, schaffte sie es trotzdem, sich durchzusetzen und ich bewunderte ihre Stärke dafür. Ich achtete darauf, ihren Vater während des Unterrichts selten zu erwähnen, um sie nicht zu verletzen. Aber auch beim Thema „Freunde“ wurde Sonia emotional. Sie lernte zu sagen, wie viele Freunde sie hat, mir deren Namen zu nennen und was sie gerne zusammen unternehmen. Sie war so glücklich, aber gleichzeitig traurig, wenn sie von ihren Freunden erzählte. In diesen Momenten fiel es mir schwer, ihre Freude zu teilen, weil ich an ihr Leben dachte und daran, wie ihr fast alles was sie so sehr liebte, in kurzer Zeit weggenommen wurde.

Vielleicht wird sie sich nie wieder mit all ihren Freunden treffen und mit ihnen eine schöne Zeit verbringen können wie vor dem Krieg.

Auch wenn es manchmal überwältigend und traurig war, hatten wir doch eine tolle Zeit zusammen und konnten so viel lernen: Das Mädchen, das anfangs nur „Hallo“ sagen konnte, war in nur zwei Wochen in der Lage, sich mit uns ein wenig zu unterhalten. Nach jeder Unterrichtsstunde ging sie zu ihrer Mutter und brachte ihr bei, was sie an diesem Tag gelernt hatte. Somit hatte auch die Mutter die Möglichkeit die deutsch Sprache zu üben.

Es war erstaunlich, ihre Entwicklung zu sehen und ich muss sagen, dass sie nicht die Einzige war die lernte. Auch ich habe viel von Sonia gelernt. Neben vielen ukrainischen Wörtern hat sie mir gezeigt, wie wichtig es ist, seine Freude nicht zu verlieren. Ich habe die Zeit mit ihr sehr genossen. Ihre Freude und Fröhlichkeit brachte jeden sofort in gute Stimmung und ich bin dankbar, dass ich sie kennenlernen durfte und sie auf ihrer Reise in Deutschland ein Stück begleiten durfte.

Damit wir auch in Zukunft den Schülern helfen können, benötigen wir Ihre Spende. Bitte unterstützen Sie uns unter: https://www.betterplace.org/de/projects/5160-bildungsforderung-sprint-eine-bessere-zukunft-fur-kinder-durch-bildung

Der Artikel stammt von Çiğdem, sie absolviert bei SprInt ihr „Freiwilliges Soziales Jahr“ (FSJ).