Gar nicht so sprachlos im Wedding!

alt-text

Von Lesepaten, Sprachbädern und der Frage, wie endlich jedes Kind mit

nichtdeutscher Muttersprache eine faire Bildungschance bekommt.

Kinder im Wedding haben auf ihrem Weg zum Bildungserfolg mit vielen Hürden zu kämpfen. Allen voran steht die Sprachbarriere: Ohne gute Deutschkenntnisse kommt man auch in den anderen Fächern, in keiner Ausbildung oder im Studium weiter. In diesem Punkt waren sich alle Beteiligten unserer Diskussion, vom Oberschulrat bis zur vierfachen Mutter, einig. Aber wie erreichen wir nun, dass jedes Kind im Wedding gut Deutsch spricht und schreibt? Wir haben die Vorschläge des Abends im Medienhof-Wedding zusammengefasst.

Ist der Wedding wirklich sprachlos?

Auf dem Podium begrüßte Herbert Weber, Leiter von SprInt und Moderator des Abends die geladenen Gäste. Petra Schrader, Referentin der Linksfraktion für Kinder, Jugend, Familie und Sport und Maja Lasić, bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion vertraten die Berliner Politik. Aus der verwaltenden Ebene waren Diemut Severin von Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie, Rainer Pede, Leiter des Sprachförderzentrum Berlin Mitte und Detlev Thietz von der Schulaufsicht Mitte gekommen. Im Gespräch umrissen die Beteiligten zunächst den Status Quo der Sprachförderung in Kitas und Schulen, wobei sie in Frage stellten, dass der Wedding wie im Titel „sprachlos“ sei. Ganz im Gegenteil spreche man hier viel mehr Sprachen als anderswo, betonte Frau Severin. Dies solle auch als Chance verstanden werden. Auch Herr Pede kritisierte den Begriff der Sprachlosigkeit. In den letzten Jahren wäre viel in die Sprachförderung an Kitas und Schulen investiert worden. Herr Thietz wiederum wendete ein, dass die bisherigen Bemühungen dennoch nicht fruchteten: Bis heute liegen die Bildungsergebnisse im Bezirk Mitte gleichbleibend weit unter dem Bundesdurchschnitt. Daher wolle er die Chance heute nutzen, die Betroffenen nach ihren Lösungsvorschlägen zu fragen.

Individuelle Förderung statt Untergang im „Sprachbad“

Schnell brachte sich das Publikum in die Diskussion ein: Pädagogen, Lesepaten, Eltern und Schüler waren gekommen und sprachen Missstände offen an. So betonte eine Sonderpädagogin, Kinder könnten nur lernen, wenn sie sich wohl und verstanden fühlten. In vielen Kitas und Schulen herrsche allerdings eine Art Massenabfertigung. Auf interkulturelle Unterschiede und individuelle Bedürfnisse der Kinder werde keine Rücksicht genommen. Ein ehemaliger Lehrer stimmte ihr zu: Schulische Einrichtungen seien keine Unternehmen, in die man einfach investieren müsse. Auf die individuelle Zuwendung käme es an. Auch ein Abiturient sagte, Deutsch habe er eigentlich nur im Förderunterricht und nicht in einer Klasse mit 30 Personen gelernt. Herr Thietz antworte darauf, lange habe man geglaubt, dass Kinder am Besten im „Sprachbad“ lernen würden, also unter vielen deutschen Kindern in einer großen Klasse. Dies wäre in Kiezen wie dem Wedding nicht umsetzbar, da kaum ein Kind Deutsch als seine Muttersprache spreche. Daher wolle man in Zukunft vermehrt auf individuellen Förderunterricht setzen, mit dem man gute Erfahrungen in den Willkommensklassen gemacht habe. Immer wieder wurde in den Wortmeldungen darauf verwiesen, wie wichtig individuelle Förderung beim Erlernen einer Sprache sei. Man müsse die Eltern in diesem Punkt „ersetzen“ sagte ein Lesepate. Es ginge nicht nur darum, die Grammatik einer Sprache zu vermitteln, sondern auch auf Deutsch vorzulesen, zu sprechen und zu spielen. Nur so könnten die Kinder den Nachteil gegenüber deutschsprachigen Mitschülern aufholen. Auch eine Mutter stimmte ihm zu: Sie habe das Gefühl, in der Kita werde wenig mit den Kindern gesprochen. Man müsse Alltagssituationen, wie zum Beispiel einen Einkauf, nachspielen und dadurch mehr Wortschatz für die Kinder erschließen.

Mehr Lehrer- aber woher?

Um individuelle Förderung zu garantieren, gab es verschiedene Vorschläge. So wurde eine Kitapflicht diskutiert und ein noch höherer Kitaschlüssel gefordert. Auch in der Schule bräuchte es mehr Personal. Momentan gibt es 1600 Sprachförderlehrerstellen an Berliner Schulen. In Brennpunktkiezen werden diese aber aufgrund des Lehrermangels häufig für Vertretungen und Betreuung besonders schwieriger Schüler genutzt, kritisierte Herr Weber. Herr Thietz wies auf die Unattraktivität des Standort Weddings hin, für den er kaum neue Lehrer engagiert bekäme. Daraufhin sprach sich Herr Frau Lasić dafür aus, die Arbeitsbedingungen in Brennpunktkiezen zu verbessern und Lehrer an belasteten Schulen besser zu vergüten. Außerdem müssten die bestehenden Lehrer insgesamt mehr für die Sprachförderung geschult werden. Frau Severin ergänzte, Brennpunktschulen müssten langjährig gecoacht werden, damit sie mit verschiedensten Methoden die Sprachfähigkeit ihrer Schüler verbessern könnten.

 

Ergebnisse der Endabstimmung: Individuelle Betreung kreativ möglich machen

Am Ende bekamen alle Beteiligten die Möglichkeit, die Lösungsvorschläge, die während der Diskussion ausgearbeitet wurden, zu bewerten. Eine Liste mit den detaillierten Abstimmungsergebnissen finden Sie hier:

 

KITA

Interkulturelle Kompetenz der Pädagogen schulen, sicheres Klima in Einrichtungen schaffen, wo sich Kinder akzeptiert fühlen 14

Kinder von Kitas in Berlin mehr mischen/ Segregation bekämpfen 7

Freiwillige betreuen Schüler am Nachmittag z.B. zuhause / „ersetzen“ deutschsprachige Eltern 6

Mehr Erzieher/innen pro Kind (Kitaschlüssel weiter verbessern) 6

Kitapflicht konsequent nach gescheiterten Sprachtest mit 4 ½ Jahren 4

Sprach- und Integrationsmittler einsetzen, die Eltern anleiten und vermitteln 3

Mehr Kitaplätze allgemein 3

Kitapflicht ab 3

Früherer Sprachtest 2

Eltern motivieren, korrekt in der Muttersprache zu sprechen und Deutsch nicht falsch beizubringen 1

SCHULE

Insgesamt mehr individuelle Betreuung im Unterricht und außerschulisch 10

Schulen langfristig betreuen/ coachen in der Sprachförderung: 8

Standort Brennpunktkiez attraktiver machen 1 -Wie?  >Arbeitsbedingungen verbessern 1    > mehr Einkommen für Lehrende 6

Qualifizierung der Lehrenden im Bereich Sprachförderung im Studium 2 / durch Fortbildung 2

Psychologische Betreuung der Lehrkräfte 3

Mehr Sprachförderlehrerstellen (mehr als die momentanen 1600) 3

Entlastung der Lehrkräfte durch anderes Personal: 2

 

Der Artikel stammt von Mascha Malburg, Öffentlichkeitsarbeit im Medienhof-Wedding. Sie war live bei der Diskussion dabei und schreibt aus dem Gedächtnisprotokoll.

Wenn Sie mit der Verwendung ihres Bildes nicht einverstanden sind, wenden Sie sich bitte an: herbert.weber@raa-berlin.de

Schreibe einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Pflichtfelder sind mit * markiert.

Beitragskommentare