Mein Freiwilligeneinsatz bei SprInt

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2020. COVID-19 breitet sich auf der ganzen Welt aus und schränkt uns alle ein. Wir hangeln uns vom ersten Lockdown in einen relativ sorgenfreien Sommer hinein zum nächsten Lockdown im Winter. Eine ganze Menge konnten wir nicht mehr machen. Trotzdem bot das Jahr für einige von uns sicher auch ein paar schöne Momente. So war es bei mir der Beginn meines Freiwilligen Sozialen Jahres bei der Sprach- und Bildungsförderung SprInt gGmbH (kurz: SprInt) im Medienhof-Wedding.

Hallo, ich bin Leonie, 18 Jahre alt, und angefangen habe ich hier am 16. November 2020. Seitdem ist viel passiert. Im Folgenden möchte ich euch einen Einblick in meine letzten vier Monate im Freiwilligendienst, in meine Aufgaben und viele meiner Erfahrungen gewähren.

Mein erster Tag

Drehen wir also die Zeit zurück und begeben uns in den November 2020. Ich beginne bei SprInt. Das Kernteam, welches aus Herbert, Felix und Carsten besteht, begrüßt mich herzlich und führt mich durch den Medienhof-Wedding. Ich lerne die verschiedenen Räume und ihre Funktionen kennen, die Abläufe und Regeln im Medienhof-Wedding. Mein Arbeitsplatz soll ein kleiner Tisch in der Küche direkt an der Heizung sein. Sehr gemütlich und vor allem warm. Ich bekomme meinen eigenen Laptop und lerne meine Aufgaben kennen. Voller Begeisterung lege ich gleich damit los, ein Ausbildungsregister mit freien Ausbildungsplätzen 2021 in Berlin-Wedding und in der Nähe zu erstellen. Zwischendurch schneit Herbert rein, macht sich einen Kaffee, erzählt mir etwas über die Bildungssituation im Wedding und gibt mir sinnvolle Tipps für meine Arbeit. Die Zeit vergeht wie im Flug und der Nachmittag bricht an. Ich lerne die Förderlehrer*innen kennen, von denen die meisten Lehramtsstudierende sind. Und mit ihnen kommen auch ab 15.00 Uhr die ersten Schüler*innen, um sich Unterstützung beim Lernen und den Hausaufgaben zu holen. Sie und die Förderlehrer*innen verteilen sich auf die beiden Räume, die es bei uns gibt und die als Lernräume dienen. Sie sind beide mit mehreren Tischen, Stühlen und Tafeln ausgestattet, in einem der beiden Räume stehen mehrere Computer sowie Drucker und Kopierer. Außerdem findet man in den Räumen Unmengen von Büchern. Seien es Lehrbücher für alle möglichen Schulfächer oder Comics und Romane. Ich schaue mir erstmal alles an und beobachte das Geschehen, bevor ich mich hineinbegebe. Von zwei Mädchen werde ich gebeten, ihnen bei ihrer Deutschhausaufgabe zu helfen. Sie haben diese in einer App aufgerufen, Thema: Grammatik. Also lesen wir uns gemeinsam die Aufgaben durch und ich fordere sie auf zu überlegen und auszuprobieren, was die richtige Lösung sein könnte. Sie überlegen, tippen und senden. Als wir damit fertig sind, helfe ich einem kleinen Mädchen bei ihrer Englischpräsentation über den Tiger. Es ist für sie weniger eine Herausforderung, eine Präsentation am Rechner zu erstellen als richtig Englisch zu sprechen. Nach eineinhalb Stunden ist die Präsentation soweit fertig und ich helfe ihr noch die richtige Aussprache der Wörter zu treffen. Sie ist sehr dankbar und ich werde sie in Zukunft noch öfter sehen und mit ihr zusammenarbeiten. Des Weiteren erzählt sie mir, dass sie ein bisschen weiter weg wohne, den Weg aber trotzdem auf sich nehme, da ihr im Medienhof-Wedding immer so gut geholfen werde. Wie beispielsweise von Felix, durch den sie nach eigener Aussage eine Zwei in Mathe geschrieben habe, was auch ihn sehr erfreut. Denn das ist hier das Ziel; die Bildung und Sprache der Kinder und Jugendlichen zu fördern, sie neben der Schule zu unterstützen und damit eine bessere Bildungskarriere bewirken zu können. Einen Nachhilfeschüler später und schon ist es 18 Uhr. Um 18 Uhr schließt unsere Bildungseinrichtung, die letzten Schüler*innen packen ihre Sachen, verlassen unsere Räumlichkeiten und verabschieden sich. Auch die Förderlehrer*innen gehen. Ich sammele die Anwesenheitslisten ein, in denen die Kinder und Jugendlichen, Adresse, Namen und Schule angeben, was wichtig für unsere Teilnahmedokumentation ist und verstaue diese in einer Schublade, auf der seit heute mein Name steht. Nach dem ich mich verabschiedet, ein wenig für Ordnung gesorgt und meine Sachen gepackt habe, endet mein erster Tag bei SprInt. Ich bin sehr überwältigt von den ganzen neuen Eindrücken, den vielen netten Menschen und von der tollen Zusammenarbeit des Teams untereinander und zwischen dem Team und den Schüler*innen.

Mein Alltag

In den darauffolgenden Tagen lerne ich noch weitere Förderlehrende und Schüler*innen kennen. Viele der Gesichter kann ich mir schon nach ein paar Tagen merken, da manche der Kinder und Jugendlichen fast täglich kommen und unser kostenloses Nachhilfeangebot nutzen. Sie kommen oft in Gruppen, was sie manchmal dazu verleitet Unsinn zu machen, am Handy zu spielen oder zu laut zu sein, was hier natürlich nicht hingehört. Denn der Medienhof-Wedding soll ausschließlich als Lernort dienen. Fast alle sind aber sehr freundlich und kompromissbereit und wissen unser Angebot zu schätzen. Ich fange außerdem an, mich langsam an den Nachmittagslärm zu gewöhnen. Bei so vielen Schüler*innen im verschiedensten Alter und mit den verschiedensten Fragen/Ansprüchen kann es einfach nicht komplett leise bleiben.

Wenn die Schüler*innen Nachhilfe brauchen, gehen sie auf einen von uns zu und fragen, ob wir ihnen weiterhelfen können. Die verschiedenen Förderlehrer*innen sind alle in 1-3 Fächern für die Kinder und Jugendlichen da, so verteilt sich der Lernbedarf ganz gut, wobei es manchmal auch dazu kommt, dass zu viele Schüler*innen auf zu wenige Förderlehrer*innen treffen und sie dann kurz warten müssen. Aber auch das ist ein eher kleines Problem und lässt sich nicht immer vermeiden. Trotzdem bekommen am Ende des Tages alle Kinder und Jugendlichen unsere Unterstützung, können lernen und einen großen Teil ihrer Hausaufgaben erledigen. Und das selbst in Corona-Zeiten. Schüler*innen und Förderlehrer*innen tragen Masken, desinfizieren sich die Hände, es wird gelüftet und so gut es geht Abstand gehalten. Diese Maßnahmen machen das Ganze zwar etwas ungemütlich, aber wir freuen uns, dass wir weiterhin offenbleiben und unseren Zweck erfüllen können. Nach Erzählungen meiner Kollegen kommen zwar deutlich weniger Kinder und Jugendliche als vor der Corona-Krise, aber die Räume sind doch noch gut gefüllt und an den meisten Tagen gibt es viel zu tun für uns Förderlehrenden sowie für die Schüler*innen.

Zu meinem Alltag gehört auch einmal in der Woche das Besuchen einer ersten Klasse der Gesundbrunnen Grundschule. Dort kreuze ich um 7:50 Uhr vor Beginn der ersten Unterrichtsstunde auf, lege meine Sachen ab und begrüße die Klassenlehrerin und die Schüler*innen. Ich begleite sie durch den Tag, lerne sie kennen, spreche mit ihnen und unterstütze sie in den verschiedenen Arbeitsphasen. Morgens geht es los mit dem Deutschunterricht. Gearbeitet wird meist entweder am Activeboard oder mit den Deutschheften. Die Klassenlehrerin wiederholt das Gelernte mit den Kindern, führt sie langsam an ein neues Thema heran und lässt es die Schüler*innen dann mit der Einzelarbeit festigen. Das klappt anfangs gut, aber die Konzentration und Motivation verabschiedet sich bei den meisten Kindern nach wenigen Minuten. Sie fangen an sich zu unterhalten und unterrichtsferne Dinge zu tun wie Rumschreien und ab und zu wird auch mal angefangen zu kämpfen. Frau B. und ich gehen dann dazwischen, erinnern die Kinder daran, was sie eigentlich tun sollen, beantworten ihre Fragen oder erklären ihnen noch einmal, wie die Aufgabe richtig gelöst werden soll. Wenn es zeitlich passt, werden noch die Ergebnisse mit der ganzen Klasse besprochen. Manche Schüler*innen sind besser als andere. Oft aber einfach, weil sie schon länger und besser Deutsch sprechen. Denn eine Schülerin hat beispielsweise vor ihrer Einschulung zuhause nie Deutsch gesprochen. Ein anderer Grund ist aber auch, dass manche Kinder motivierter sind als andere oder sich besser konzentrieren können. Die meisten Kinder sind respektvoll gegenüber ihrer Lehrerin, ein paar wenige müssen das aber noch lernen und ihnen werden klare Grenzen gezeigt. Nach der Pause, die auch sehr wild verlief und in der es alle paar Minuten eine Schlägerei oder andere Streitigkeiten gab, ist Zeit für den Matheunterricht. Am Anfang wird wieder mit der ganzen Klasse im Plenum gearbeitet, Frau B. rechnet ein paar Aufgaben vor und fragt anschließend in die Runde, wer die nächste Aufgabe rechnen kann. Die Beteiligung ist nicht schlecht, jedoch rufen viele Schüler*innen einfach rein, was zu Krach und Unordnung führt. Die anschließende Stillarbeitsphase wird dem Namen wieder nicht ganz gerecht. Es ist zwischendurch sehr laut und die Lehrerin bekommt manche Kinder nur schwer dazu, sich wieder auf die Arbeit zu konzentrieren. Auch für mich ist der Lärm sehr stressig und mich erschrecken die Umgangsformen der Kinder untereinander. Das Wort „Arschloch“ oder „Hurensohn“ fällt nicht selten und das in einer ersten Klasse. Ich bin sehr beeindruckt davon, wie die Lehrerin die Klasse im Zaum halten kann und nicht wie ich nach ein paar Stunden innerlich einen halben Nervenzusammenbruch erleidet. Danach geht es weiter mit dem Sportunterricht. Der Sportlehrer freut sich sehr über meine Unterstützung und erzählt mir, dass diese Klasse seine anstrengendste sei. In der Mädchenumkleide geht es unschön zu. Sie beleidigen sich, zwei sind auf einmal keine Freundinnen mehr und ein Mädchen wird gefragt, wieso sie denn so fett sei. Auch das erschreckt mich, entspricht aber leider den Klischees von Schulen im Wedding. Das alles sind aber Situationen, die am Ende des Tages, unter anderem mit meiner Hilfe geklärt sind. Als alle umgezogen in der Sporthalle sitzen, ruft der Lehrer sie zusammen und es werden verschiedene Fangspiele gespielt. In eines ist ein Ball integriert. Es ist ein ohrenbetäubender Lärm und die meisten Schüler*innen halten sich nicht an die Spielregeln, was das Ganze noch unerträglicher macht. Am Ende muss der Sportlehrer das Spiel abbrechen und ist sehr enttäuscht. Als auch diese Stunde endlich geschafft ist, bricht die letzte Stunde vor dem Mittagessen an. Beim Mittagessen bin ich nicht dabei, da dort mehrere Erzieher*innen und Sozialarbeiter*innen für die Kinder zuständig sind. Die letzte Stunde ist dann eine Kunststunde und es wird Weihnachtsdekoration gebastelt. Klassenlehrerin Frau B. erklärt am Anfang mehrere Male, wie man ein Blatt Papier falten und schneiden muss, um am Ende eine schöne Schneeflocke zu haben. Manche Kinder legen direkt los und zaubern eine Schneeflocke. Die, die schon fertig sind, helfen dann den anderen. Immerhin klappt das. Was mich verwundert ist, wie viele der Kinder noch nicht mit einer Schere umgehen können. Aber sonst macht es mir viel Spaß mit den Kindern zu arbeiten, trotz der ganzen Aufregung. Auch die nächsten Mittwoche laufen ähnlich ab vom Verhalten der Kinder und dem Unterricht her. Frau B. gibt sich viel Mühe, gestaltet den Unterricht abwechslungsreich und ich schwirre durch die Klasse, unterstütze sie, indem ich den Kindern bei den Aufgaben helfe und ihre Fragen beantworte. Ein paar Kinder erinnern sich an mich, freuen sich über mein Wiederkommen und begrüßen mich mit einem euphorischen „Becker!“. Ein paar fangen an mit den kleinsten Streitigkeiten zu mir zu kommen bzw. gehen generell wegen den kleinsten Streitigkeiten zu einem Lehrer oder einer Lehrerin, was auf Dauer echt unerträglich ist. Es zeigt wie schwach die Kommunikationsformen bei manchen von ihnen ausgeprägt sind, um selbst Konfliktsituationen bewältigen zu können. Da der Lockdown aber bald verschärft wird und das auch die Schließung der Schulen bedeutet, werde ich die Kinder ein paar Wochen lang nicht sehen. Ich bin schon sehr gespannt, wie und ob sie sich weiterentwickelt habe, wenn ich wiederkomme und ob ich mittlerweile ein bisschen abgehärtet bin gegen den Lärm und den Stress. Trotz allem freue ich mich aber auch und bin dankbar, dass ich diese Erfahrung machen darf.

Über die Hälfte der Lehramtsstudierenden von SprInt arbeitet ähnlich wie ich an einer der sieben Kooperationsschulen Wedding-Gesundbrunnen als Sprach- und Lernassistent*innen im Unterricht. Deshalb war es Herbert wichtig, dass auch ich diesen Arbeitsaspekt an den Schulen kennenlerne und Schulen unterstütze.

Etwas nicht Alltägliches, woran ich mich aber trotzdem gerne erinnere war der 9. Dezember 2020. SprInt war Teil eines interaktiven Adventskalenders des Soldiner Kiez und unser „Türchen“ war es, mit den Kindern Stockbrot zu machen. Das erforderte natürlich eine sorgfältige Planung und ein paar Vorbereitungen. Wir begannen mit dem Verteilen von Adventskalenderflyern, damit auch möglichst viele Kinder wussten, was man in der Vorweihnachtszeit alles in ihrem Kiez machen kann. Felix ging in den Wald, um Stöcke zu besorgen. Außerdem kaufte Carsten eine Feuerschale und eine Menge Brennholz. Was auch nicht fehlen durfte, war natürlich der Hefeteig für das Stockbrot. Meine Mutter erklärte sich bereit, diesen zuzubereiten und ihn uns mitzubringen. Als es dann soweit war, hatte Felix sogar noch Getränke für die Kinder, außerdem Lebkuchen, Spekulatius, Brötchen und Würstchen besorgt. Natürlich war alles helal. Ab 15 Uhr kamen noch mehr Kinder als sonst in den Medienhof-Wedding und da parallel noch Nachhilfe lief, wuselten überall Kinder und Erwachsene herum. Und mittendrin war ich. Meine Mutter kam um kurz vor drei, gab den Hefeteig ab und ich führte sie stolz herum. Sie lernte natürlich die Menschen kennen, mit denen ich jeden Tag zusammenarbeite. Danach fing sie an den Hefeteig auf die Stöcker der hungrigen Kinder zu verteilen und diese setzten sich dann damit ums Lagerfeuer herum. Dort wurde gegessen, geredet, gesungen und ein, zwei Mal fiel auch ein Stockbrot ins Feuer. Der Teig war ganz schnell alle, da wir unterschätzt hatten, wie viele Kinder kommen würden. Also flitzte Felix nochmal los, um einzukaufen und kaum war er zurück, machte er unter Anweisung meiner Mama einen zweiten Hefeteig. Dieser und das restliche Essen ging im Handumdrehen weg. Viele Gesichter kannte ich schon von der Nachhilfe, aber an diesem Tag kamen auch ein paar neue dazu. Manche Kinder und Lehrer belohnten sich beispielsweise nach der Nachhilfe mit etwas zu essen. Die Aktion war ein voller Erfolg! Wir hatten viele Kinder erreicht, eine schöne Zeit gehabt und meine Mutter konnte bei mir sein und alles kennenlernen.

Der Lockdown

Der Lockdown-Light, wie er gerne genannt wurde, betraf uns weniger. Wir behielten unser Hygiene-Konzept weiterhin bei und machten uns Gedanken, was passieren würde, gäbe es wieder einen harten Lockdown und was das für uns bedeutete. Und das war wohl gut so, denn wenige Wochen später sollte er auch schon eintreten. Kurz vor Weihnachten schlossen die Schulen und das hieß für uns als Bildungseinrichtung auch: befristete Schließung.

Als die Weihnachtsferien vorbei waren und wir ins neue Jahr starteten, begannen die Anfragen der Schüler*innen. Viele kamen in den ersten Tagen her und dachten, dass alles wie früher wäre. Doch wir mussten sie leider enttäuschen. Stattdessen machten wir sie darauf aufmerksam, dass wir nun eine eigene Handynummer hätten, welche sie im Internet finden konnten und über die sie uns ihre schulischen Anliegen schreiben konnten. Die darauffolgenden Tage kamen die ersten Nachrichten von den Kindern und Jugendlichen und wir nahmen die Online-Nachhilfe auf. Und jetzt Ende März wissen schon eine ganze Menge Schüler*innen, wie sie sich trotz der miesen Bildungslage an den Schulen Unterstützung holen können. Wir sind inzwischen auch dazu übergegangen, wieder wenige Kinder und Jugendliche mit Termin kontrolliert im Medienhof-Wedding zu empfangen. Die Termine sind immer ausgebucht. Und wir können durch eine großzügige Spende jetzt sogar unsere Lehramtsstudierenden in Familien zu Grundschüler*innen schicken, damit die ihre Lernversäumnisse aufholen können.

Wir alle hoffen, dass der Lockdown bald vorbei ist und alle Kinder und Jugendlichen wieder bei uns im Medienhof-Wedding eintrudeln können, mit uns von Angesicht zu Angesicht reden und in den nächsten Monaten generell wieder mehr Normalität einkehrt. Bis dahin gestalten wir viel im Medienhof-Wedding um und optimieren unsere Einrichtung. Wir haben Tablets für unsere Schüler*innen besorgt, aufgeräumt, ausgemistet, umsortiert und Ordnungen umgedacht. Trotz Lockdown und meinem Home-Office im Januar, steht SprInt also nicht still und bereitet sich auf die Wiederankunft seiner Schüler*innen vor.

Home-Office

Seit meinem Home-Office habe ich begonnen, meinen eigenen DaZ-Baustein zu erstellen. Ich habe mich für das Thema „Demokratie und Mitbestimmung – Gleichberechtigung für alle?“ entschieden, da ich ein sehr politikinteressierter Mensch bin und mir gut vorstellen kann, dieses Thema den Kindern näher zu bringen. Zur Unterstützung liegt mir ein Leitfaden und eine Vorlage für DaZ-Bausteine vor und mein SprInt-Team habe ich natürlich auch. Ich kämpfe mich also erst einmal durch den Lehrplan und spalte das Thema auf, suche mir passende Texte aus dem Internet heraus, ändere sie ab, denke mir kreative und passende Aufgaben zu den verschiedenen Texten und Themenbereichen aus und ein paar Wochen später ist die Rohfassung fertig. Ich rufe Jeanette an, da sie Expertin auf dem Gebiet ist, schicke ihr einen Teil des Bausteins zu und wir besprechen alles. Sie gibt mir viele hilfreiche Tipps und Anweisungen, um das Unterrichtsmaterial zu perfektionieren. Nachdem ich auch ihre Tipps und Ideen umgesetzt habe, ist der Baustein für Herberts Augen bereit! Mit ihm bin ich in den letzten Tagen nochmal das Thema Mitbestimmung von Kindern in der Schule, in der Familie, im Kiez, in Kinderjurys und im Staat durchgegangen und habe das Material hinsichtlich der Sprachförderung nochmal vertieft.

Berufsperspektiven

Aber mein FSJ bei SprInt ist natürlich noch viel mehr. Ich gebe nicht nur Nachhilfe oder sitze am Schreibtisch und schreibe. Nein, ich wachse jeden Tag an meinen Aufgaben und an der Arbeit, die ich tätige. Ich überlege, ob ich noch was an meiner Arbeit verändern, verbessern und optimieren könnte. Bei meiner Arbeit lerne ich die Schüler*innen auf mehreren Ebenen kennen. Ich erfahre von ihnen, wieso genau sie hierherkommen und beispielsweise, was für Probleme sie in der Schule haben. Sie sind alle sehr offen und freundlich. Als ich einem Schüler erzählte, wie schade ich es fand, dass wir durch das Corona-Virus und die Beschränkungen nur einen Tag der berühmten „Mottowoche“ an meiner Schule hatten, wünschte er sich, dass er solche Probleme hätte. Er erzählt mir, dass es für ihn oft sehr schwer sei in der Schule, die Sprache zu verstehen und mitzukommen, da er erst seit drei Jahren in Deutschland sei. Er macht gerade sein Fach-Abi und hat somit sein Praktikum in einem kleinen Architekturbüro angefangen, welches ihm gut gefällt. Er erzählte mir, dass er sich vorstellen kann, später beruflich in diese Richtung zu gehen. Ich half ihm seinen Praktikumsbericht zu verfassen. Bei manchen Kindern und Jugendlichen frage ich auch nach, was sie später werden möchten. Welche Träume sie haben und welche Ziele sie verfolgen. Von vielen höre ich, dass sie dank der Hilfe von SprInt ihr Abitur machen möchten oder den Mittleren Schulabschluss. Und dann wird ein Studium angestrebt oder eine Ausbildung als Medizinische Fachangestellte beispielsweise. Manche von ihnen wollen in die Fußstapfen ihrer Eltern oder Geschwister treten. Insgesamt wird deutlich, dass viele von ihnen schon einen Hauch von Plan haben für ihre Zukunft, auch schon die jüngeren. Der Berufswunsch Polizist*in taucht auch mal hier und da auf. Apropos Polizei: Als ich einer anderen Schülerin erzählte, dass ich bald ein duales Studium bei der Berliner Kriminalpolizei beginne, fingen ihre Augen an zu funkeln und sie hörte mir gespannt zu. Ich erzählte ihr, dass sie auch eine Ausbildung bei der Polizei machen könne anstatt eines Studiums, und erklärte ihr, wo sie sich darüber informieren kann und was ich bereits weiß über den Beruf. Sie stellte mir viele Fragen, die ich gerne beantwortete. Und falls die Schüler*innen doch mal so gar keine Idee haben, was sie später machen können, steht ihnen jeden Mittwoch für mehrere Stunden unser Ausbildungslotse Helmut zur Verfügung. Dieses Angebot nehmen viele dankend an, machen mit ihm Eignungstests, hören ihm zu, wenn er ihnen freie Ausbildungsplätze vorstellt und schreiben mit ihm eine Bewerbung.

Meine Grenzen

An manchen Tagen komme ich an meine Grenzen. Wenn es besonders laut ist, weil so viele Kinder da sind und manche sich kurz anderweitig mit irgendeinem Unsinn beschäftigen. Oder wenn ich das Gefühl habe, gar keine Fortschritte mit dem/der Schüler*in erzielen zu können. Wenn ich tausend Mal die Aufgabe erklären muss oder den Vorgang, den sie zum Bearbeiten der Aufgabe verstehen müssen. Wenn sie mich immer wieder das Gleiche fragen und zwischendurch nicht vorankommen, weil sie abgelenkt sind. Ich gebe immer mein Bestes, um ruhig zu bleiben und ihnen zu vermitteln, dass ich nicht meine volle Zeit auf sie verwenden kann und auch noch andere Schüler*innen meine Hilfe brauchen. Ich gebe ihnen Tipps, wie sie die Aufgabe am besten erledigen können, zur Not zuhause. Und ich ermahne sie, wenn sie mal wieder abgelenkt sind und sage, dass das nicht hierher gehört, z.B. am Handy zu spielen, wenn ich etwas zu erklären versuche. Auch die anderen Förderlehrer*innen sind ausgelastet, wenn zwei, drei oder vier Schüler*innen um sie herumsitzen. Trotz allem habe ich jeden Tag Spaß an der Arbeit und ich finde es wichtig an meine Grenzen zu kommen. Denn auch das bringt mich voran. Allerdings habe ich festgestellt, dass ich niemals Grundschullehrerin werden will.

Und für diese Erkenntnis bin ich dankbar, so wie für alles andere was ich bei SprInt gelernt, erlebt und gesehen habe. Ich bin dankbar für die Menschen, die ich kennenlernen und mit denen ich zusammenarbeiten durfte. Meine Arbeit war sehr vielfältig und oft hat sie mir so viel Freude bereitet, dass ich ganz vergessen habe, dass es Arbeit ist. Meine Zeit hier ist nun leider vorbei, aber ich würde es immer wieder tun!

 

 

Damit wir auch in Zukunft den Schülern helfen können, benötigen wir Ihre Spende. Bitte unterstützen Sie uns unter: https://www.betterplace.org/de/projects/5160-bildungsforderung-sprint-eine-bessere-zukunft-fur-kinder-durch-bildung

Der Artikel stammt von Leonie Becker. Leonie hat bei SprInt vier Monate als FSJler gearbeitet.

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