Was ist „Schüler helfen Schülern“?
Berlin-Wedding, 21. Oktober 2024 – von Marcel Neudeck
Hinter „Schüler helfen Schülern“ steckt ein Projekt von SprInt, bei dem ältere Schüler jüngeren Schülern helfen. Wir haben mit der Projektleiterin Ranim Hassan gesprochen, die uns vom Projekt und von ihrem Werdegang bei SprInt berichtet.
Es ist Freitag, 15 Uhr. Wir gucken, ob wir in dem großen Arbeitsraum bei SprInt einen Platz für uns finden, wo wir reden können. 25 junge Menschen sind hier versammelt. Sie sitzen an den Gruppentischen und sind in ihre jeweiligen Gespräche vertieft. Ein angenehmes Gemurmel liegt in der Luft. Hier würden wir stören. Also nehmen wir uns zwei Stühle und setzen uns raus in den Hof. Heute ist es kalt, gerade hat es noch geregnet. „Ist das ok?“, frage ich. „Kein Problem“, sagt Ranim.
Was ist „Schüler helfen Schülern“?
Ranim: „Schüler helfen Schülern“ ist ein SprInt-Projekt, das es seit 2015 gibt. An sich ist das Projekt der Arbeit im Medienhof ähnlich, wo ja montags bis donnerstags eine Hausaufgabenbetreuung und Nachhilfe für Schüler ab der 3. Klasse angeboten wird. Jeder darf kommen und es kostet kein Geld. Es gibt aber auch Unterschiede: Bei uns sind die meisten Lehrkräfte selbst noch Schüler, so wie der Name des Projekts ja auch sagt. Und wir setzen den Fokus auf Grundschüler und vor allem darauf, dass wir eine ziemlich feste Gruppe haben, sprich, dass wir Personen haben, die wir kontinuierlich sehen und mit denen wir wirklich eine schon innigere Beziehung haben. Wir sprechen hier auch über Privates und können so quasi als ältere Geschwister dienen. Deshalb ist es uns auch so wichtig, dass wir freitags immer ein festes Team sind. Das ist auch ein Unterschied zum Medienhof, wo es ja Tage gibt, an denen der eine da ist und Mathe unterrichtet, am nächsten Tag ist dann ein anderer dafür da. Bei uns sind immer dieselben da. Dadurch lernt man sich viel besser kennen und dadurch haben die Schüler, die zu uns kommen, auch diese Beziehung zu uns. Das ist uns wichtig und deshalb machen wir auch jeden Monat Ausflüge oder andere Aktionen. Dann besuchen wir Museen oder backen im Medienhof zusammen Pizza, machen Kreatives. Wir wollen die Schüler fördern und mit ihnen Sachen machen, die sie mit ihrer Familie oder mit ihren Eltern nicht machen.
So können Schüler und Lehrer mitmachen
Wie kommt denn ein Schüler zu euch, wenn er Hilfe braucht? Wie findet der euch?
Ranim: Wir werben ziemlich oft in den Schulen oder die Schüler erfahren durch Mundpropaganda von uns. Jeder kann kommen. Wir haben hauptsächlich Personen aus den Schulen hier in der Nähe, z. B. der Gesundbrunnen-Grundschule, der Andersen-Grundschule und der Leo-Lionni-Grundschule.
„Das finde ich immer extrem krass, wenn jemand mit einer 4 anfängt bei uns in Mathe und dann irgendwann nur noch 2en schreibt. Und das ist voll oft der Fall. Das ist wirklich etwas, das macht einen stolz.“
Wie habt ihr denn eure zehn Lehrkräfte zusammengekriegt? Die meisten sind ja selbst noch Schüler.
Ranim: Das ist eine gute Frage. Vor drei Jahren waren wir an einem Punkt, wo wir nur noch Studenten hatten, die als Lehrkräfte dienten. Aber das Projekt heißt ja „Schüler helfen Schülern“. Das war dann ein Problem, sodass wir angefangen haben, nach neuen Schülern zu suchen, die hier als Lehrkräfte mitmachen. Wir haben festgesetzt, dass das wirklich alles Schüler sein sollten, die noch in der Mittelstufe, also in der 9. oder 10. Klasse sind, oder schon in der Oberstufe. Wir wollten wirklich ein Team aus Schülern haben. Also haben wir Flyer verteilt und wir haben durch persönliche Beziehungen viele angeworben. Einige haben wir z. B. an den anderen Tagen im Medienhof kennengelernt. Wenn wir da jemanden gesehen haben, wo wir gemerkt haben, dass da Potenzial ist – fachlich, aber auch was die sozialen Kompetenzen angeht, dann haben wir halt nachgefragt: „Ey, hast du Lust mitzumachen?“ Gerade sind wir zum Glück voll besetzt, aber man wird ja auch älter und die Schulzeit endet irgendwann. Aktuell bin ich z. B. aus der Schülerphase raus und mittlerweile Studentin im vierten Semester. Aber da kann man noch ein Auge zudrücken, haben wir gesagt, weil ich ja noch jung bin (sie lacht).
Und man kann auch ein Auge zudrücken, weil du das Projekt ja leitest?
Ranim: Genau. Und als ich anfing, das Projekt zu leiten, war ich ja selber noch Schülerin. Aber ich glaube, spätestens wenn ich im Master bin, müsste ich wahrscheinlich auch aussteigen und wieder jüngere Leute reinbringen. Das Projekt soll schon seinen Namen behalten und dem gerecht werden. Das sollten wirklich Schüler sein, die hier Schülern helfen.
Bekommt man als Lehrkraft auch ein SprInt-Taschengeld?
Ranim: Ja. Wir verdienen mittlerweile 13 Euro pro Stunde. Letztes Jahr waren es noch 10, das ist auf jeden Fall ein Fortschritt für uns. Da gab’s ja die Inflation. Es sind ja auch nur drei Stunden die Woche.
Was denkst du, wie viele Schüler kommen zu euch?
Ranim: 20 bis 30 an jedem Freitag. Wenn Klassenarbeiten oder Prüfungen anstehen, dann kommen immer ein paar mehr.
Ranims Werdegang bei SprInt
Wie bist du eigentlich zu SprInt gekommen?
Ranim: Tatsächlich spontan durch ne Freundin. Die wohnt auch hier in der Gegend und kannte das Ganze schon. Sie hat mich mitgenommen und ich dachte mir „Wieso nicht, kostenlose Nachhilfe klingt gut“. Da war ich in der 8. Klasse. Ich bin also hergekommen, hab hier gelernt und dann war das eines Tages so, dass ich mit Herbert Geografie gemacht habe. Und dann meinte er zu mir, dass ich irgendwie voll intelligent sei und dass ich (sie lacht) ein kluges Köpfchen bin. Und da hat er mich halt gefragt, ob ich Lust habe, bei „Schüler helfen Schülern“ mitzumachen. Und dann dachte ich mir „Ok, wieso nicht?“. Dann habe ich Ali, der damals das Projekt geleitet hat, kennengelernt und dann habe ich mit 16 angefangen bei „Schüler helfen Schülern“. Und dann war ich drin. Erstmal habe ich nur mitgemacht, aber nach ca. einem Jahr war Ali dann so beschäftigt, dass er meinte, er müsse seine Rolle als Leiter abgeben. Und irgendwie waren alle dann dafür, dass ich das mache.
Ich war zu dem Zeitpunkt sogar die Jüngste, die anderen waren fast alle schon Studenten. Aber alle meinten „Ey Ranim, was denkst du davon? Hast du Lust?“. Und dann hab ich nicht so viel darüber nachgedacht und meinte einfach „Ok“. Und jetzt ist es gerade die Überlegung, ob ich meine Rolle bald abgebe, vielleicht Ende dieses Schuljahres, weil ich irgendwie selber merke, dass ich nicht so viel Zeit in das Projekt investieren kann, wie es notwendig ist. Ich habe das Gefühl, dass das Projekt wirklich jemanden braucht, der viel Zeit investieren kann, weil das Projekt verdient viel Zeit. Es ist ja wirklich ein schönes Projekt, wo wir halt auch innerhalb der letzten zwei, drei Jahre viele Fortschritte gemacht haben. Es gab mal einen Punkt, wo alles ein bisschen gewackelt hat. Wir hatten nicht so wirklich einen Leitfaden, keine gute Struktur. Das haben wir aber wieder ins Positive gewandelt und jetzt kann ich sagen, dass ich das Projekt weitergeben kann. Es ist stabil, das war mein Ziel. Und das habe ich geschafft.
Gibt’s noch etwas Wichtiges, das noch erwähnt werden muss?
Ranim: Auf jeden Fall die Lernerfolge von den Schülern! Das finde ich immer extrem krass, wenn jemand mit einer 4 anfängt bei uns in Mathe und dann irgendwann nur noch 2en schreibt. Und das ist voll oft der Fall. Das ist wirklich etwas, das macht einen stolz. Und auch allein der Aspekt, dass wir hier Personen sind mit Migrationshintergrund und es trotzdem irgendwie wirklich weit schaffen und studieren und Sachen machen, von denen einige Leute denken, das machen wir gar nicht. Das ist nicht so! Jeder kann studieren, jeder kann was werden, jeder kann was aus seinem Leben machen. Und wenn die das hier sehen, dann sind die umso motivierter weiterzumachen und Gas zu geben.
Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg bei dem Projekt!
Aktuelle Informationen und Termine findet ihr auf der Instagram-Seite von „Schüler helfen Schülern“.
Damit wir auch in Zukunft den Schülern helfen können, benötigen wir Ihre Spende. Bitte unterstützen Sie uns unter: https://www.betterplace.org/de/projects/5160-bildungsforderung-sprint-eine-bessere-zukunft-fur-kinder-durch-bildung
Das Interview mit Ranim führte Marcel Neudeck.