DaZ-Fortbildung im
Medienhof Wedding

Berlin-Wedding, 27. September 2025 – von Enno Eidens

Eine Gruppe ist vor einem Backsteingebäude versammelt.

Förderlehrkräfte, Pat:innen und SHS-Team lernen erstmals gemeinsam.

Jedes Jahr veranstaltet der Medienhof Fortbildung in „DaZ“, also „Deutsch als Zweitsprache“. Der Lehrgang ist Pflicht für alle neuen Förderlehrkräfte bei SprInt. In diesem Jahr kommen noch mehr SprIntler dazu: Auch die Pat:innen des Patenschaftsprojekts und die Lehrkräfte des Peer-Learning-Projekts „Schüler helfen Schüler“ nehmen teil.

Gut 30 Teilnehmende sitzen bei mäßigem Septemberwetter an den Gruppentischen im Medienhof. Die Fortbildung leitet Dr. Gesina Volkmann, promovierte Sprachwissenschaftlerin und Projektleitung beim Netzwerk Sprachbildung des SprachFörderZentrums Berlin-Mitte. Bei ihr lernen die neuen SprIntler, wie sie ihren Schüler:innen dabei helfen können, sprachliche Hürden zu meistern – denn davon bietet ihnen die Schule einige!
Viele Schülerinnen und Schüler im Wedding bringen nicht die Deutschkenntnisse mit, die der Schulstoff ihnen abverlangt. Dieses Grundlagenproblem sorgt dann dafür, dass die inhaltlichen Aspekte der Texte erst gar nicht verstanden werden können. Ein Problem, das sich mit jedem Schuljahr vergrößert.

Frau Volkmann weiß aus der Praxis, wie Lehrkräfte und Erzieher:innen dieses Problem lösen können. Sie sagt, es sei wichtig, die Kinder auf ihrer sprachlichen „Wohlfühlstufe“ zu treffen. Das Niveau sollte flexibel angepasst werden. Es muss fordernd sein, darf aber nicht überfordern – eigentlich ganz klar, doch im Schulunterricht fehlen dafür häufig die Zeit und das Material.
Und wenn die Sprache nicht passt, „dann rauscht der Bildungsinhalt vorbei!“, warnt Volkmann. Hauptberuflich bildet sie andere Lehrkräfte und Erzieher:innen fort und unterrichtet selbst. Ihre Methoden sind erprobt: Das, was sie lehrt, hat sie vorher selbst mit Kindern in der Kita entwickelt und optimiert. Von diesem Praxiswissen profitiert nun das Team des Medienhofs.

Fortbildung für die nächste Generation

Ebenfalls aus der Praxis ist Ayman Kash. Er besucht eine 13. Klasse im Wedding und unterstützt jüngere Schülerinnen und Schüler im Rahmen des Peer-Learning-Projekts „Schüler helfen Schüler“. Hier bekommen Kinder aus der Grundschule jeden Freitag Förderunterricht im Medienhof. Kash unterrichtet mit Leidenschaft. Bei dem Projekt ist er erst seit einem Jahr, doch bereits seit der 10. Klasse hilft er Mitschüler:innen seiner Schule. Er hat ein Auge dafür, wenn grundlegende Themen nicht verstanden werden – und wie das für Probleme beim Folgeverständnis sorgen kann.

Genau hier setzt seine pädagogische Methode an: Er findet heraus, welches Konzept als letztes verstanden wurde – und baut dann dort auf. Für den Einstieg verzichtet er dabei größtenteils auf ausführliche Notizen, um nicht zu überwältigen. Das erinnert an Dr. Volkmanns „Wohlfühlstufe“ und scheint gut zu klappen: Eine Mitschülerin konnte Kash von einer gescheiterten MSA-Prüfung bis zum Abitur begleiten. Ihre Mathenote verbesserte sich von 5 auf 2, weiß er mit einem stolzen Lächeln zu berichten.

DaZ ist Grundlagenarbeit bei SprInt

Auch im nächsten Jahr wird SprInt wieder Förderlehrkräfte, Patinnen und Paten sowie engagierte junge Menschen aus Oberstufe und Studium fortbilden. Diese Fortbildung ist essenziell für die Arbeit mit den Kindern, die SprInt täglich besuchen. Sie bringen sprachliche Herausforderungen mit, für die besondere Methoden aus dem Repertoire der DaZ-Praxis notwendig sind. Nur so können erfolgreich Bildungshürden überwunden und Potenziale freigesetzt werden. Wenn Sie unsere Arbeit und Fortbildungen unterstützen möchten, können Sie sich hier über Möglichkeiten, SprInt zu unterstützen, informieren. Wir sind Ihnen für jede Hilfe sehr dankbar.

Die Fortbildung findet auch im nächsten Jahr für alle SprIntler statt.

Nachtrag: Die Herausforderung DaZ am konkreten Beispiel

Unser Geschäftsführer Herbert Weber hat sich mit einem konkreten Beispiel beschäftigt, das die Herausforderung für unsere Schüler:innen greifbar macht.

In einem Geographiebuch des 7. Schuljahre steht „Die Oder dient insbesondere dem Transport und als Nahrungsquelle. Gleichzeitig hat sich auf den fruchtbaren Böden die landwirtschaftliche Nutzung durch Getreide-, Gemüse- und Obstanbau sowie Milchwirtschaft beidseitig der Oder entwickelt.“ (Terra, 7./8. Klasse Sekundarschule, Berlin und Brandenburg, 2017)

Obwohl diese Sätze einfache Hauptsätze sind, können Kinder, die in der Regel nur einfache Mehrwortformulierungen nutzen, den fachlichen Zusammenhang dieser Sätze meist nicht verstehen. Tatsächlich hat der neueste Vera 8 Test herausgefunden, dass 73 Prozent der Kinder auf Sekundarschulen in Berlin solche Fachtexte nicht mehr lesen können, im Wedding liegt der Prozentsatz wahrscheinlich noch höher (Die Senatsverwaltung hat keine regionsspezifischen Daten herausgegeben). Die Kinder scheitern nicht nur am Wortschatz, weil sie nicht wissen, was eine Quelle ist oder weil sie sich unter „landwirtschaftlicher Nutzung“ nichts vorstellen können oder unter „Getreideanbau“ und „Milchwirtschaft“, sondern sie auch mit Formulierungen wie „Die Oder dient …“ oder „Gleichzeitig hat sich auf … und durch … etwas entwickelt“ nichts anfangen können.

Es muss hier auf dem Sprachniveau der Kinder Bedeutung erst aufgebaut werden. Auf dem Fluss „fahren Schiffe“. Das geht. Was machen die? „Kohlen transportieren“ oder „leer herumfahren“? Am besten malt man zum Verständnis auch noch ein Bild dazu. Das Kind formuliert dann den Satz zum Bild. „Schiffe transportieren etwas auf dem Fluss“. Bleibt man einfach nur bei dem Satz „Die Oder dient dem Transport“, hat das Kind überhaupt nicht verstanden, um was es geht. Der Unterricht ist dann zu abstrakt und sprachlich zu komplex und geht über es hinweg. Es kann mit seinen einfachen Mehrwortformulierungen auch nicht fachlich über das Thema reden. Bei den einfachen Mehrwortformulierungen muss man es aber abholen und langsam ein höheres Sprach- und Fachniveau mit einfachen Hauptsätzen, später Sätzen mit Verbklammern, Inversionen und Nebensätzen, aufbauen.

Leider finden solche sprachbildnerischen Methoden im Fachunterricht der Schulen in der Regel keine Berücksichtigung, weil schlicht ein Sprach- und Allgemeinwissen vorausgesetzt wird, das nicht da ist. Entsprechend schlecht bleiben die Leseleistungen und das Fachwissen der Kinder.